18. Mai 2016
Von Hannes Schweiger

DI 17. MAI 2016
Einmal Saturn und zurück
SUN RA ARKESTRA
Marshall Allen (as, ewi), Tara Middleton (voc, perc), Cecil Brooks (tp), Knoel Scott (ts, voc, dancing), Danny Ray Thompson (bs, fl), Dave Davis (tb), Dave Hotep (g), Elson Nascimento (perc), Stephen Mitchell (b), Wayne Anthony Smith jr (dr)

Sternzeit 170 520 1620´45“. Im Zuge ihres „never ending astral travelling“, welches nun schon unglaubliche 60 Jahre währt, dockten die Arkestrianer, die nun schon drei Generationen umfassen, unter der inspirierten Leitung von Sun Ra „Saxapostel“ Marshall Allen, sich im sagenhaften 92. Lebensjahr befindend,  an das österreichische Jazzclub-Mutterschiff Porgy an. Gewandet in ihre obligaten funkelnden Pailettenkostüme, erschienen sie auf der Bühne und swingten sich mit ungeheurem Esprit auf eine gemeinsame Wellenlänge ein. Diese bündelte sich in einem Jazzgestirn mit interplanetarischem Ansatz. So zogen gleich zur intergalaktischen Eröffnung in Up Tempo-Manier Stücke von Fletcher Henderson, Mitbegründer des großorchestralen Swing, in Arrangements die Sun Ra für das Henderson Orchester in den 1940er Jahren schrieb und nun von Allen mit kauzigen strukturellen Erweiterungen angereichert wurden, die er teilweise spontan bei seinen MitmusikerInnen anregte, ihre Umlaufbahnen. Trotz abgespeckter Bläsersection wirbelten jene typischen ineinandergreifenden Sätze von Blech und Holz prächtig voluminös durch den Raum. Dazwischen setzte Allen seine nie fehl am Platze sich befindenden exzessiven Glissandoketten mit schneidendem, schnörkellosem Ton in quirliger Beweglichkeit. Er verstand es bravourös mit diesen  konzisen Einwürfen/Soli spannungsintensive „Sonnenexplosionen“ auszulösen, die seine PartnerInnen enorm anstachelten. Wahrhaftigst erstrahlten diese Momente dann in den Sun Ra Klassikern mit ihren aufregenden polytonalen respektive afro-zentrierten, polyrhythmischen und in den „Outer Jazzspace“ weisenden Texturen, die leidenschaftliche Soli nach sich zogen. Speziell der Tenorist Knoel Scott, der seine Spielweise auf Einflüssen von Coleman Hawkins und Joe Henderson aufbaut, und auch kurze akrobatische Showeinlagen darbot, der Trompeter Cecil Brooks mit geradlinig strahlendem Ton und natürlich der unverwüstlich wirkende Allen, setzten zu intergalaktischen Höhenflügen an. Dazwischen gab´s auch einen Stopp auf Planet Blues, ergreifend intoniert von der souligen, ausdruckstarken Altstimme von Tara Middleton, aber auch banale Songfragmente mit skurrilen esoterischen Texten, die auch persiflierend verstanden werden können. Aber selbst solche Sequenzen oder altbackene Klanggefüge gestalten sich angesichts der außerordentlichen Vitalität und Spiellaune der kosmischen Kuriere wie Sternschnuppen. In diesem Ensemble verdichtet sich die komplette orchestrale Jazzgeschichte mit unbestechlicher Authentizität und es hält die Strahlkraft der Innovationen des musikalischen Kosmopoliten Sun  Ra weiterhin mit bemerkenswerter Lust und Hingabe am Leben. Trotz Retro-Bezügen glitt die Inszenierung nie in Peinlichkeiten oder Beliebigkeit ab. Selbst die unvermeidlichen Wanderungen durch den Publikumsbereich sind liebgewonnene Dramaturgien geworden. Und schon zogen sie weiter auf ihren „Spaceways“. Das war großer Sonnenaufgang.