14. Juli 2016
Von Hannes Schweiger

MI 13. JULI 2016
Über das Trotzen von Handicaps
BILL EVANS/ DEAN BROWN BAND
Bill Evans (ss, ts, e-p, voc), Dean Brown (g), Darryl Jones (b), Dennis Chambers (dr)

Eigentlich war ja die Mike Stern/ Bill Evans Band feat. Jones & Chambers angekündigt. Doch der Tourbeginn der Band stand unter keinem guten Stern. Unmittelbar vor Tourneestart riss Mike Stern auf New Yorks Straßen einen Stern und verletzte sich beide Schulterblätter und Unterarme schwer. Kurzerhand einigte man sich den Gitarristen Dean Brown ins Boot zu holen. Ein Musiker mit hoher Reputation in der Fusion- und Studio-Szene der zwar nicht über einen solch strahlenenden Namen verfügt, aber in dieser Band bravourös glänzte. Zudem erwähnte Evans, dass er sich vor kurzem eine Verkühlung einhandelte und Jones an einer Beinverletzung laboriere. Doch Musiker mit Leib und Seele welche sie sind, ließen sie sich davon nicht aus der Bahn werfen. Eine packende Spiellaune griff sofort Platz und das neu zusammengestellte Programm fand in einem traumwandlerischen Interplay, durchzogen von quirligem Spielwitz, seine Umsetzung.

Diesen Spielwitz steuerte vor allem Dean Brown bei, der die Funktionsharmonik des Fusion-Modus mit einem erweiterten Harmonieverständnis aufpeppte. Nicht nur tat er dies mit nuanciertem Sound, sondern auch anhand differenzierten Vokabulars, mit dem er kernige Rockriffs, lässige Bop-Akkorde oder irrwitzige Singlenotelines originär ausformulierte. Ihm war auch der größte Improvisationsfreiraum zugedacht. Und Evans schien davon ziemlich inspiriert. Mit perfekter Intonation bzw. Phrasierung und eindringlich schneidendem Ton setzte er konzentrierte, von einiger Spontanität durchwehte Soli in den Raum. Den leichtfüßigen, in swingende Funkyness verpackten rhythmischen Flow besorgte das über die Maßen bestechende Gespann Jones, Chambers. Wobei Jones, ein „E-Bass-Monolith“, und seinen satten wie wendig modellierten Pattern eine tragende Rolle zufiel. Einerseits als Kontrapunktsetzer mit praller Akkordik zu den Melodieinstrumenten, andererseits mit spannungssteigernden Kreuzrhythmen, die er häufig „laid back“ anlegte, im Austausch mit Chambers federnden Schlagfiguren, die dieser mit größter Selbstverständlichkeit  mit kniffliger Polyrhythmik aufbereitete. Chambers bediente sich hierfür des  klassischen Drumsets und praktizierte einen für seine Verhältnisse dezenten Trommelzauber. Was der musikalischen Ereignishaftigkeit sehr förderlich war. Zumal das Quartett sich einem deutlicheren Jazzapproach zuwandte  und Rock-/ Funk-Chiffren viel abstrahierter einflossen. Derart können gängige Fusion-Klischees und über die Maßen bekannte Strukturen frisch zubereitet werden. Da hat ihnen Großmeister Miles vieles mit auf den Weg gegeben. Dem erwies man mit einer harmonisch einfallsreich gedeuteten Version seines „Jean Pierre“ die Ehre.