9. September 2016
Von Hannes Schweiger

DO 8. SEPTEMBER 2016
Faustisch fokusiert
ZELLINGER/ KOGLMANN/ HERBERT
Alfred Zellinger (voice, el-g), Franz Koglmann (tp, flh), Peter Herbert (b)

Entgegen den Zeithorizonten gewohnter Faustinszenierungen, die sich in einem mehrstündigen Rahmen bewegen können, haben die Schöpfer der an diesem Abend zu hörenden Version von Goethes „Faust I“, die Herren Alfred Zellinger (Text) und Franz Koglmann (Musik), das Werk auf eine Stunde eingedampft und es ins Jetzt transferiert. Zellinger hat äußerst geschmackssicher und kompetent die Handlung  im heutigen Bankensektor angesiedelt - unter dem Titel „Doktor Faustus in London“. Dem fanatischen Gelehrten Johannes Faust schrieb Zellinger die Rolle eines getriebenen Bankers zu, der all sein Vermögen verspielt und dem Nihilisten Mephisto schanzt er die Rolle eines Börsentraders zu, der mit unlauteren Mitteln Fausts Vermögen zum Wiedererstarken bringen soll. „Crossroads“ auf Neoliberal, sozusagen. Soweit so gut und dramatisch. Eingeflochten in diesen Handlungsstrang sind Nebenarme aus Joyces Ulysses und Sequenzen aus den Faustfassungen von Thomas Mann und Christopher Marlow, sowie gegenwärtige brennende globale Probleme, die den Unwillen und die Hilflosigkeit der Regierenden aufwirft.  Zellinger gelang ein pointierter, mit teils sarkastischem Unterton versehener Text von aktueller Brisanz. Sein semi-professioneller Vortrag im Rahmen eines Jazz-Slam, während dem Zellinger auch gelegentlich zur E-Gitarre griff, war umgarnt von ziemlich vital swingenden, verdichteten Klangdramoletten Koglmanns, in die er mit viel Esprit neben jazzspezifischen Verbindlichkeiten, wie etwa elegante Coolness, Mid-Tempo Neo Bop-Kapriziosen, eine Bluesparabel oder fiebrige Freistilistik, weiters ein Gstanzl, ein Sinatra Songzitat („That´s Life“) bzw. eine Refrainsequenz des Lennon Songs „Give Peace A Chance“, geformt mit seiner melancholischen Sophistication, einspeiste. Und seine melodischen Linien ließ er, wie schon lange nicht, losgelöst tänzeln. Dass der Musik die nötige Substanz anheimfiel, lag an dem famosen Einvernehmen zwischen Koglmann und dem wieder einmal grandiosen Peter Herbert, der den rhythmischen, melodisch kontrastierenden Nukleus, angereichert mit raumgreifenden, befeuernden Figurbewegungen, markierte. Demzufolge erlangte das verschroben, kauzige Timing und die Performance Zellingers ebenso einen reizvollen Charme. Ein zeitrelevantes, textlich und klanglich homogen verschränktes Statement dreier erklärter Humanisten, derer es in der Öffentlichkeit, angesichts des immer infamere Züge annehmenden Neo-Liberalismus, als Mahner mehrerer bedürfte.