SO 23. OKTOBER 2016
Neo-Country From Outer Space
BILL FRISELL BAND feat. Petra Haden
Bill Frisell (g), Petra Haden (voice), Thomas Morgan (b), Rudy Royston (dr)
Der „Planet Frisell“ bewegt sich unbeirrt in seiner eigenen Umlaufbahn. Der Gitarrist, der die heutige Klangwelt, von den Jazzsphären bis zum Pop/Rock-Terrain, mit höchst individueller Stilistik und einer neuartigen pan-harmonischen Auffassung einschneidend bereichert, schickte sich mit seinem aktuellen Quartett an, ein paar Sternchen vom Filmmusikhimmel in seiner unvergleichlichen Herangehensweise zu pflücken. Hierfür hat er eine äußerst homogene Band geformt, die in die Umsetzung viel Elementares einer Jazzspielhaltung wie improvisatorischer Freiraum, non-konforme Klangästhetik, rhythmische und harmonische Ausweitungen, spontanes Interplay, einfließen ließ. Demzufolge wurden die unsterblichen Melodien und Themen in Klangräume außerhalb ihrer Konzeption verpflanzt. Frisell agiert bei den Dekonstruktionen mit viel Respekt vor und viel Wissen um das Ausgangsmaterial. Songs wie z.B. „When You Wish Upon A Star“ (so auch der Titel des Programmes), „The Shadow Of Your Smile“, „You Only Live Twice“ oder „Goldfinger“ offenbarten bizarre neue Details oder wurden auf ihre nackte Binnenstruktur zurückgeführt und folglich in einen neuen erhellenden Kontext versetzt. Plötzlich swingte die Musik in höllischem Up-Tempo, flanierte herzerweichend durch kontemplative Traumlandschaften oder inspirierte zu findigen, die musikalischen Fortschreitungen fördernde Soli. Da war natürlich der Ausnahmemusiker Frisell von prägender Gestalt. Mit seinem singulären schwebenden Sounds, Schwellakkorden und entschlackten Singlenote-Linien. Ein Stil, den er aus der Jazzgitarren-Tradition in Konfrontation mit Rocktexturen und dem amerikanischen Country Music Duktus entwickelte und perfektionierte. Ziemlich beeindruckend war diesbezüglich, auch seinen MitstreiterInnen zugesprochen, der differenzierte Umgang mit Dynamikschattierungen, das entschleunigte Agieren, die lyrische Intensität, die gelegentlich kratzbürstig und verquer hervortrat und die unprätentiöse Ausführung. Betreffend letzterem war auch die Sängerin Petra Haden, Tochter der Basslegende Charlie Haden, ein wichtiger Faktor. Schnörkellos, trocken, ohne Vibrato versetzte sie ihre Country Roots mit einer zarten Jazzphrasierung. Voll der Hingabe sang sie textbezogen oder non-verbal die melodischen Linien der Themen im Unisono mit Frisell. Währenddessen Bassist und Schlagzeuger wieder die ebenfalls die Musik kennzeichnenden, fließenden kontrapunktischen Raffinessen auftischten. Gelegentlich überließ Haden ausschließlich dem Trio das Feld. Das Geschehen erblühte durch das konzentrierte Herumstöbern „inside the songs“. Diese glänzten in geschmackssicher veränderten Formgebungen und Farbnuancen. Lediglich bei den Zugaben wurde für europäische Ohren etwas zuviel an Country-Schmonzette ausgebreitet. Speziell bei der Bonanza-Kennmelodie gewann das Kuriosum die Oberhand. Konklusio: „Die Reise zum Stern“, unternommen in unbändiger Spiellaune, war großes Kino. Frisell as well.