8. Dezember 2016
Von Hannes Schweiger

MI 7. DEZEMBER 2016
Die Raumnot in der Komplexität
MARIUS NESET „PINBALL“
Marius Neset (ts,ss), Jim Hart (vibes, perc), Ivo Neame (p), Michael Janisch (b), Anton Eger (dr)

Als „Jazzwundertalent“ wird er allenthalben gefeiert und er steht knietief in Lorbeeren. Der Norwegische Saxophon-Jungstar Marius Neset. Ein wenig überzeichnet wird hierbei schon. Derzeit tourt er mit seinem aktuellen Projekt namens „Pinball“ durch die Weltgegend. Eine Stückesammlung an Hand derer Neset laut Eigendefinition die Beschäftigung mit dem melodischen Fundus von Klassik bis Rock, den Funktionalismen von Jazz Rock und Art Rock reflektiert. Er tut dies mit leidenschaftlicher „Jazz-Seele“. Doch besetzte von Anbeginn an ein technokratischer Konstruktivismus die Ereignishaftigkeit, was sich in atemberaubenden Tempo- und Rhythmuswechsel, aberwitzigen harmonischen wie melodischen Abfolgen, teils in unglaublichem Unisono bzw. verschachtelter Rollenverteilung, manifestierte. Fast ist der Eindruck von der Anwendung mathematischer Prinzipien evident. Wechselnd mit dieser energiebestimmten Ausformulierung tat sich elegische Introspektion mit einer etwas überzeichneten Schönklangschwelgerei auf. Des Weiteren wurden auch häufig die Stücke eröffnende ostinate Arpeggien überstrapaziert und die Musik setzte zu sehr auf „Reinheitsgebot“ und perfekt inszenierte Durchkonzeption. Demnach stand für Ecken und Kanten, klangliche Dirtyness, spontane Klangstöbereien und Waghalsigkeit kein Raum zur Verfügung. Über die beeindruckende Virtuosität aller Protagonisten kam keine Sekunde Zweifel auf. Neset selbst ist ein famoser Techniker. Intonation, Geläufigkeit, Ansatz – perfekt und er hat das Real Book penibel durchgeackert. Aber seinem Ton mangelt es noch an Charisma. Angesichts dieses Potentials hätte man sich allerdings den einen oder anderen überbordenden Ausritt auf der Überholspur erwartet. Sozusagen ein bisserl „ausflippern“. Doch verharrte das Geschehen in einer Form von Programm-Musik. Vielfalt konnte man ihr nicht absprechen, aber den Zug zum Unmitttelbaren. Dieses Ausloten von vertrackten Strukturen  und hochkomplexen Abläufen in rasantem Tempo, das demonstriert auch Nesets Band, bietet für die jüngere Generation an JazzmusikerInnen einen speziellen Anreiz. Sie ist drauf und dran, einen umfassenden, undogmatischen Ansatz eines Stilkonglomerates zu entwickeln und perfektionieren. Verwurzelt in der Jazztopographie. Die Rolle eines Pinball Wizard füllt Neset noch nicht gänzlich aus. Aber in seinem Talent ist alles für eine tiefgreifende Meisterschaft angelegt.