24. Dezember 2016
Von Hannes Schweiger

FR 23. DEZEMBER 2016
Dunkle Intervalle
KARL RITTER „SOUNDRITUAL“
Karl Ritter (g, devices), Isabelle Duthoit (voice, cl), Franz Hautzinger (tp, devices), Christian Eigner (dr)

In kürzester Zeit erfüllte ein mächtiger, mystischer Klangblock die Bühne. Karl Ritter, sympathische, nonkonformistische Fixgröße der heimischen Musikszene, kreierte diesen pulsierenden Drone, mittels Feedbacks, die er mit dem Wirbelbrett einer Akustikgitarre, das er über den Bühnenboden schleifte, als würde er Klänge einsaugen, erzeugte. Es lag unmittelbar auf der Hand, dass hier ein Musiker zur Tat schritt, der die klanglichen Möglichkeiten seines Instrumentes unter Einbezug der elektronischen Klangerweiterung, von Verstärkung und Live-Sampling, penibelst und wohlüberlegt ausgecheckt hat. Zusammengefasst hat er diesen Work-In-Progress Ansatz unter dem Titel „Soundritual“. Den er mit wechselnden Gästen verschiedenster Spielauffassungen ständig neu auslotet, um schlussendlich wieder bei sich selbst anzukommen. Für das aktuelle Ritual hat er sich zwei ebenso kompromisslose Klangstöberer in Person der französischen Vokalistin, Klarinettistin Isabelle Duthoit und des österreichischen Klangdenkers Franz Hautzinger an der Trompete und den popmusikgeadelten österreichischen Drummer Christian Eigner geladen. Es entwickelte sich alles in spontaner Interaktion, maximal mit Headarrangments als gelegentliche Angelpunkte. Kreativspange waren die Klangkonvolute von Ritter, die einen fesselnden Sog erzeugten. Durch zeitweilige rhythmische Strukturierung seines Spieles riss Ritter Fenster in die massiven Klangwände, in die seine MitspielerInnen ihre Zutaten pflanzten. Duthoit schraubte sowohl ihre Klarinette, primär jedoch ihre Stimme in diskante Stratosphären und erzeugte dann doch Verstörung Grund ihrer ausschweifenden Manieriertheit und übersteigerten Expressivität, wobei sie eine unglaubliche Intonationssicherheit wallten ließ. Hautzinger, der sich meistens ebenso diverser Effektgeräte bediente, ließ seine Trompete polyphon jubilieren oder mit abstrakter Klangfarbigkeit frohlocken bzw. erwiesen sich seine elektronifizierten Sounds als potenzierende Ergänzung zu jenen von Ritter. Der Schlagzeuger unterfütterte die Wuchtigkeiten mit präzisen rocktypischen Rhythmusvamps im Two Beat Prinzip, aufgelockert durch 16tel Triolen- und Paradiddle-Ketten. Dennoch implizierte die rhythmische Struktur eine gewisse Monotonie und Starrheit, untermauerte aber einen rituellen Charakter. Obschon diesem Aufeinanderprallen von martialischem Rockduktus und abstrakten Klanggruppierungen ein gehöriger Charme innewohnte, da Ritter es wirklich geschmackssicher zuwege bringt, Rockfunktionalismen mit dem Wagnispotential des Jazz in einander aufgehen zu lassen. Und stilistische Dogmen lässt er auf gescheite Weise außen vor. Der ritterschen Klangkosmos ist zweifelsohne signifikant persönlich, doch dieser an diesem Abend ritualisierte Teilbereich ließ eine durchwachsene Befindlichkeit zurück. Hochspannend bleibt jedoch der Umgang mit erimprovisierten Ordnungsprinzipien.