25. Januar 2017
Von Hannes Schweiger

MI 25. JANUAR 2017
Klangpoesie unter Nordlicht
KUÁRA
Trygve Seim (ts, ss), Samuli Mikkonen (p), Markku Ounaskari (dr)

Er erweckt den Eindruck eines Einsiedlers, eines archaischen Mystikers. Mit seinem Rauschebart und dem ergänzenden langen, strähnigen Haar. Der Saxophonist des norwegisch/finnischen Trios Kuara – Trygve Seim. Der Norweger Seim repräsentiert die Nachfolgeschaft der garbarekschen Klangästhetik und Melodiebildung auf die eindringlichste und eigenständigste Weise. In stimmigem Einklang mit seinen beiden finnischen Partnern verfolgt er das Ansinnen einer tiefgründigen Wirksamkeit durch die Verschränkung tradierter Klangkultur, in diesem Falle sich auf jene aus dem russisch-finnischen Grenzgebiet beziehend, und einer europäisch verwurzelten Jazzsyntax. Auf Basis des Eindringens zu des Klanges Kern. Vorweg, selten hört man eine substanziellere Einschwingung zweier solch unterschiedlicher musikalischer Zugänge abseits von World Music-Blendwerk. Aus dem Stehgreif  tauchten die Musiker in eine echtzeitige, meditative Hingabe ab, der eine irisierende Erzähl- und Suggestivkraft entstieg. Seim entfesselte mit schnörkellosem, vollblütigem Ton eine hymnische Aura in die er, von gehaucht bis bissig, seine nuancierten, findungsreichen Melodieschnüre fortspann. Mit weitertragender Subtilität verdichteten Mikkonen und Ounaskari diesen kontemplativ betörenden Klangfluss. Der Pianist bestach als phantasievoller Harmonienbauer und linear denkender Improvisator, von rhapsodischer Befindlichkeit einerseits und rubatohaft flanierenden Einzeltonfolgen andererseits geprägt. In sensibelster Umsichtigkeit konstruierte dazu der Schlagzeuger, der die große Kunst des perkussiven Kolorierens eines Paul Motian würdigst aufgriff, ein feinnerviges rhythmisches Stützwerk. Spannungsintensivierend wirkten speziell sein Gespür für Auslassungen und der hellhörige Wechsel zwischen metrischer Ungebundenheit und strikter Zeitstrukturierung. Großer Reiz lag auch in den häufig in autarker Verantwortung erschaffenen Melodiefortschreitungen und deren eng verwobener Kommunikation zwischen Saxophonen und Klavier. Speziell auf dem Sopransaxophon setzte Seim mit gleißenden Glissandi, die eine indische Konnotation andeuteten, zu den kühlen Tastenmotiven überraschende Kontraste. Dieser trancehafte Rauschzustand war auch hinsichtlich kompositorischer Inhaltlichkeit und improvisatorischem Momentzustand wunderbar austariert. Was auch in der Meisterlichkeit aller drei betreffend des  Aufstoßens von Freiraum begründet lag. Ihre lyrische Ader bordetet aufs ergreifendste, bildkräftigste darin über.