MI 31. Mai 2017
Bley-Station
CARLA BLEY/ STEVE SWALLOW/ ANDY SHEPPARD "Trios"
Carla Bley (p), Steve Swallow (e-b), Andy Sheppard (ts, ss)
Es tut der Psycho-Hygiene wahrlich gut, in einer Periode empathischer Verrohung, mitzuverfolgen wieviel Liebenswürdig- und Aufmerksamkeit sich Carla Bley und Steve Swallow entgegenbringen und welch spürbar großer Respekt zwischen den drei MusikerInnen generell besteht. Mit der entsprechenden Sensitivität vertonen sie dieses „Miteinanderumgehen“ selbstverständlichst in ihren entschleunigten, poetischen Trialogen. Seit gut zwei Jahrzehnten ist Carla Bley, neben ihrer großen Leidenschaft der Big Band, mit dieser „Jazz Chamber Music“ auf dem Weg zur absoluten musikalischen Kernmaterie – die von jeglichem Ballast befreite Klangentfaltung. Ihr Ohr legt Bley bei der Konzeption der Trio-Stücke speziell auf die Eindringlichkeit des Melos und lyrische Intensität. Sie setzt hierbei auf eine tiefempfundene Simplizität der harmonischen Grundlagen und die öffnende „Raumplanung“ für ihre Partner. Mit einem Füllhorn an melodischen Einfällen fluteten Swallow und Sheppard daraufhin die Ereignishaftigkeit, während Carla Bley mit wohlgesetzten Akkordprogressionen und Kadenzen, die im genau Notwendigen schwelgten, das Nervensystem ihrer Musik freilegte und ihren Kollegen die nötigen Anknüpfungspunkte lieferte. Swallow und Sheppard entäußerten sich mit hochemotionaler, affektiver Aufladung in Improvisationen der glasklaren Tonverkettungen und rhythmischen Erlesenheit – das hieß einmal relaxt swingend, dann wiederum inwendig sinnierend. Der „E-Bassist extraordinaire“ bestach, trotz, aus reisetechnischen Gründen geborgtem E-Bass, einmal mehr mit seinem unvergleichlich geschmeidigen Spiel und einzigartigen, wohltemperierten Sound. Sheppard, dem viel „Spielplatz“ eingeräumt war, flanierte gleichwohl mit signifikantem Ton und elastischen, fließenden Phantasien durch die feinjustierten Diskurse. Großer Stilist. Bley ihrerseits gestaltete die wenigen solistischen Ausflüge mit souveräner Nonchalance als Antithese zur Virtuosin. Ihre Virtuosität äußert sich, einst wie jetzt, in Gelassenheit bei der Tonhervorbringung und außerordentlichem Gespür für Zwischenräume und –töne, in den daraus resultierenden skelettierten Strukturen, den kauzigen Tempoverschleppungen und der unnachahmlich subtil formulierten Humoreske. Letzteres nicht ohne eine gewisse sympathische Selbstironie. Nichts desto trotz, der Quell all dieser musikalischen Imaginationskraft liegt in dem telepathischen Zusammenspiel des Dreigestirns begründet. Ob notiert oder frei assoziiert entfaltet sich die Größe in den kleinen Gesten durchsetzt mit spitzfindigen Nuancen. Die Umhüllende bleibt aber Carla Bleys kompositorische Grandezza, mit der sie, wie kaum jemand anderes, das Nonkonforme dem Konventionellen einverleiben kann. Und irgendwie gewann man den Eindruck, als stünde ihre eingedampfte Musik unmissverständlich in Bezug zu ihrem Lebensalter. Darum diese entwaffnende Authentizität, diese Gewichtigkeit und Stringenz. Das Ambiente eines pulsierenden Schwebezustandes. Carla Bleys Oeuvre markiert eine wegweisende Überschrift im Jazzkanon.