3. Juni 2017
Von Hannes Schweiger

FR 02. Juni 2017
Brilliant Corners
ED NEUMEISTER TRIO "Monk Suite"
Ed Neumeister (tb), Morten Ramsbol (b), Howard Curtis (dr)

Sie sind wahrhaftg zeitlos und haben von ihr visionäre Diktion nichts eingebüßt – die musikalischen Großtaten des Jazzpianisten und –komponisten Thelonious Sphere Monk. Er hat im Sog der richtungsweisenden Be Bop-Bewegung das afro-amerikanische Jazzerbe revolutioniert und ihm Neuland erkundet. In kompositorischer Hinsicht mit seiner Experimentierfreude an zuvor nicht üblichen Formparametern wie Abstraktion, Verdichtung, Pause, Asymmetrie und Diskontinuität und als Improvisator mit seiner entschlackten „kubistischen“ Stilistik und deren ausgeprägtem Hang zu thematischen Pattern und nonkonformer Melodierhythmik. Zu dem zu Lebezeiten Monks immer wieder geäußerten Vorwurf, es mangle ihm an Spieltechnik, konterte der große österreichische Jazzpianist Fritz Pauer dereinst: „Technik heißt vor allem, im richtigen Moment das Richtige zu Spielen, d.h. die richtige Pause zu lassen und dann das Wesentliche zu bringen.“ Mitunter ist es genau das, warum Monks Musik auf nachfolgende Generationen zeitgenössischer Jazzmusiker noch immer eine derartige Anziehungskraft ausübt und eine Herausforderung, der es sich unbedingt zu stellen gilt, darstellt. Genau dieses Ansinnens wegen, dürfte sich auch der amerikanische Posaunist Ed Neumeister, wie seine beiden Kollegen Lehrender an der Jazzabteilung der Kunstuniversität Graz, kurz KUG genannt, mit seinem aktuellen Projekt dem Werk Monks verschrieben haben. Außerdem trifft es sich mit der diesjährigen hundertsten Wiederkehr von Monks Geburtstag. Und es sind genau jene oben erwähnten Parameter die sich das Trio mit bemerkenswerter Affinität und Stringenz zu eigen gemacht hat. Neumeister umspielte, dekonstruiere, transformierte die Themen, überführte sie in seinen Dialekt, ließ aber den Spirit dahinter fortwährend spürbar bleiben. Einmal wurden Themen wie z.B. „Trinkle Tinkle“, „In Walked Bud“ oder „Misterioso“ nur kurz angedeutet, dann wiederum vertiefte sich Neumeister, verachtet mir diesen grandiosen Posaunenstilisten nicht, ausführlicher in diese, modellierte sie mit beeindruckender Multiphoniktechnik oder jagte sie durch eine Echokammer. Entscheidend für die Schlüssigkeit und Farbigkeit der Klanghandlungen war die eloquent austarierte Konversation. Denn genauso mit melodischem Feinsinn waren Ramsbol und Curtis zugange. Der Bassist mit überlegt gesetzten Kürzeln und der Drummer, ganz der „Max Roach Schule“ verpflichtet, klopfte delikate Nuancen, jeden Quadratzentimeter nutzend, aus seinem klassischen Set. Somit gelang es dieser sperrigen Besetzung auch Monks harmonische Extravaganzen für sich zu deuten. Die unorthodoxen rhythmischen Akzentverschiebungen der “monkschen Träume“ trieben die drei Meister durch häufige Auflösung der metrischen Strukturen und des periodischen Beats ins Extreme. Dort tummelten sie sich in spontan assoziativen Improvisationen, die sich allerdings immer wieder  zeitgerecht zu exakten Unisonosequenzen oder vertrackt swingenden Bilderstürmen einfanden. Was diese Umsetzung  von Monks Musik auszeichnete waren hier die enge Verbindung von Ausdruck mit Rhythmik, Harmonik, Melodik und Form, dort die mit größter Klarheit ausgeleuchteten Details. Es lässt sich weiters die These aufstellen, dass Besetzungen ohne Beteiligung von Harmonieinstrumenten, repräsentiv steht hier der Name Steve Lacy, noch unmittelbarer und synergetischer in die Innenräume von Monks Musik vordringen können. Auch Ed Neumeister hat mit seinem aktuellen Trio diesen Beweis angetreten. Und sie tauchten diesen am Ende in ein herzerweichendes, bluestriefendes „Blue Monk“.