15. Juni 2017
Von Hannes Schweiger

MI 14. Juni 2017
Cry Of The Diabolic
DIAMANDA GALÁS
Diamanda Galás (voc, p)

Der schwarze Fazioli vor schwarzem Vorhang, getaucht in diffuses Licht, wurde von Trockeneisnebelwolken gespenstisch umspielt. Im nächsten Moment zerschnitten tiefblaue und –rote Lichtflächen diese. Galás huschte zum Klavier und prankte wuchtige Blockakkorde in die Tastatur. Sie erhob ihre nachhaltig bissige Stimme, deren martialisches Timbre, energetische Intonation und unbarmherzige Direktheit sich in Mark und Bein bohrten, und modellierte als Einleitung einen Ausdruckshybrid aus Kurt Weill/ Jaques Brel-Eigenheiten, zu einem wildwuchernden Extrem-Chant. Mit diesen außerordentlich kontrollierten musikalischen Extremsituationen  spielte Galás mit fast beängstigender Bravour, immer „Close To The Edge“. Auch die abstrusesten textlichen Abgründigkeiten verschiedenster Quellen, die Galás multilingual intelligent durchleuchtet, erschreien sich in ihren Ausführungen den Status eines eindringlichen Plädoyers für ein selbstbestimmtes Dasein und die Humanität. Die „Princess Of Darkness“ verzehrt sich nach einem Leben der Intensität was aus jeder Pore ihrer Stücke, die sich jeglicher stilistischen Zuordenbarkeit gewieft entziehen und hinsichtlich Phrasierung einer exzeptionellen Non-Konformität huldigen, eine lodernde, lyrische Brachialität heraustreten lässt. Gekonnt kalkuliert inszeniert Galás ebenso holprige Tempoverläufe als asymmetrische Brechungen. Ihre Erfahrungen in den Avantgardesektionen Neuer Music, Jazz und Rock bündelt Galás zu eben jenem dionysischen Individualstil, mit dem sie die Kunst des Schreies kultivierte bzw. auf eine neue Qualitätsebene überführte. Mit jener Fähigkeit sezierte sie herkömmliche Materialressourcen, drehte diese genüsslich durch die Mangel und verkündete sie dämonisch als bis auf die Knochen entblätterte Rocksongs, zerflederten Blues, fiebrige Chansons, Cluster-Arien, Splatter-Balladen oder streute eine Brise Schwarzpulver über einen Country-Song – primär im forte-Charakter. Zugute kommt ihr, abgesehen vom unorthodoxen, ausgefeilten Klavierspiel, ein enormer stimmlicher Tonumfang, innerhalb dessen sie ebenfalls aberwitzigste Intervallkapriolen, phasenweise mit wohldosierten elektronischen Effekten auf den Mikrophonen verdichtet, vollführte – guturales Gegurre schlug nahtlos über in den Koloratursopran. Galás zerdehnte, quetschte, komprimierte Worte und Silben, gab ihnen neue radikale Konturen und durchbohrte diese mit einer scharfkantigen, stakkatierenden Melodierhythmik auf den Tasten, die im Zusammenwirken mit harmonischen Verschmierungen, wobei sie mit gezielt platzierten Dissonanzen operierte, einen vor spannungsintensiven Reibungen berstenden Kontrapunkt zu den verqueren Gesangslinien einnahm. Ein phonetischer Grenzgang von geballter kinetischer Energie, der einen mit Erlebnistiefe und Körperlichkeit erfasste. Mit einer Klarheit und Kompromisslosigkeit sondergleichen, lebt Diamanda Galás einen exzentrischen Avantgardeansatz mit prägnanten kinästhetischen Konturen, der sie zu einer seiner leuchtendsten Repräsentantinnen werden ließ.