19. Juni 2017
Von Hannes Schweiger

SO 18.Juni 2017
Die Übermacht der vorgeplanten Gestaltungswut
VINCENT PONGRACZ SYNESTHETIC OCTET
Vincent Pongracz (cl, voice), Doris Nicoletti (fl, picc), Clemens Salesny (as, bcl), Richard Köster (tp), Alois Eberl (tb), Peter Rom (e-g), Manuel Mayr (e-b), Lukas König (dr)

Zweifelsohne gehört der Jazzkomponist und Klarinettist Vincent Pongracz zu den originärsten Stimmen und Konzeptualisten der jungen, die Gegenwart befeuernden, österreichischen Jazzszene. Zudem dürfte er wirklich ein synästhetisches Medium sein, der beim Komponieren in eine Farbenflut eintaucht, die er mit fast architektonischer Akribie zu den unerwartetsten Formverbindungen und Umrissen montiert. Mittlerweile hat er dahingehend eine bemerkenswerte Meisterschaft entwickelt, die bei diesem Konzert hinter jeder der selektiven Biegungen hervor lugte. Im Rahmen des neuen Programmes „In The Meanwhile Shoot Me A Movie“, deren Veröffentlichung als EP ebenso gefeiert werden sollte, trieb Pongracz es noch weiter auf die Spitze. Erstaunlich allemal mit welcher Behändigkeit das aus einigen der teuflisch guten MusikerInnen des inländischen Jazzzirkels bestehende Oktett eine Herausforderung nach der  anderen realisierte. In zeitlich relativ knapp gefassten Stücken versetzte der hochkomplexe Konstruktivismus, vorerst einmal in Staunen. Die kompositorisch explizit ausgetüftelten Texturen überschlugen sich in quergedachten Harmoniefortschreitungen und melodischen Waghalsigkeiten. Unterstrichen weiters durch die ausgefallen besetzte Bläsersektion, wodurch auch die, in den pluralistisch gedachten Jazzduktus eingewobenen Anregungen serieller Klangorganisation dezidierter zur Geltung kamen. Ausgespielt in Unisonomeandern, krachenden Bläsertutti oder raffinierten kontrapunktischen Verschachtelungen. Jene Eigenwilligkeit der musikalischen Handschrift liegt aber noch deutlicher in der rhythmisch ausdifferenzierten Konzeption mit seinen versprengten Akzentuierungen, unglaublichen Tempowechsel, Stops und Breaks begründet. Diese motorische Unwucht, mit rockig/funkiger Binnenstruktur, fand seine lupenreine Umsetzung durch Manuel Mayr und Lukas König. Trotzdem konnte man sich im Verlauf der Performance des Eindrucks nicht erwehren, dass die Stücke mit Ideen zu vollgestopft waren und demnach nicht ausreichend Zeit gegeben war, um die Musik zum Aufgehen zu bringen. Einige Lücken mehr für assoziative Spontaneität wären dem Ereignisfluss sehr zuträglich gewesen. Einmal mehr war es Clemens Salesny der zweimal mit furiosen, den Bezugsrahmen überschreitenden Altsaxsoli das starre Kompositionskorsett aufbrach. Ehe man sich allerdings auf weiter Umbrüche einstellen konnte, deutete sich ein gehetztes Agieren des Bandleaders an, und der führte die Darbietung, nicht ohne vorher einen entbehrlichen Rapversuch in einer Fantasiesprache untergebracht zu haben, alsbald zu einer überraschenden Finalisierung. Ein Konzert quasi im EP-Format. Schade, denn das Kollektiv versprühte ziemliche Spiellust. Ohne despektierlich sein zu wollen, mehr gibt’s jetzt nicht hinzuzufügen.