17. Dezember 2019
Von Christoph Huber

MI 11. Dezember 2019
OHRganisierte Spielfreude
CHRISTIAN MUTHSPIEL & ORJAZZTRA VIENNA / E C H O BOOMER
Beate Wiesinger (b), Astrid Wiesinger (as, ss), Alois Eberl (tb), Florian Sighartner (v), Clemens Sainitzer (cello), Philipp Jagschitz (keys), Michal Wierzgon (dr)

ORJAZZTRA VIENNA
Lisa Hofmanninger, Astrid Wiesinger, Ilse Riedler, Gerald Preinfalk, Robert Unterköfler, Florian Bauer (reeds), Gerhard Ornig, Dominik Fuss, Lorenz Raab, Alois Eberl, Daniel Holzleitner, Tobias Ennemoser (brass), Philipp Nykrin (p), Beate Wiesinger (e-b), Judith Ferstl (acc-b), Judith Schwarz, Marton Juhasz (dr, perc), Christian Muthspiel (cond, composition, musical director)

Das neuformierte Kollektiv Echoboomer, auch „Förderband“ für die Kompositionen der Bassistin der Band Beate Wiesinger, spielte den diesabendlichen Auftakt. Schmelztiegel-Musik. Jazzverdrahtetes Gemeinwesen spielt ziemlich lässig mit zeitnahen popmusikalischen Versatzstücken/Andeutungen – Breakbeats, Electronica, Hip Hop, House -, Carla Bley-scher Kautzigkeit, kammermusikalischer Abstraktion. Zudem wird ordentlich auf den Putz gehauen, mit hingebungsvollen Soli, hier geht Astrid Wiesinger in unvergleichlicher Weise durch die Decke, oder eruptiven Kollektivclustern. Ab und an spießt es sich noch in der Formfassung. Hat aber auch etwas Gewinnendes. Das steht fest: mit viel Hirnschmalz einerseits und nach Herzenslust andererseits aufbereitet und vorangetrieben. Da donnert etwas heran, denn die Musik blüht zielstrebig auf.

Die Freude darüber, mit einem Großkollektiv (zusammengesetzt aus derart niveauvollen Klangkreativen) arbeiten und noch dazu dieses respektive die Musik in der Stageband-Reihe reifen lassen zu können, steht Christian Muthspiel ins Gesicht geschrieben. Courage auf beiden Seiten. Aufbauend auf einem fixen Repertoire an Stücken, gewinnt man unweigerlich den Eindruck, dass Muthspiel noch konkretere Details aus den Texturen herausarbeitet. Sein leidenschaftliches Dirigat, mit dem er quasi nach den Tönen greift, wird zusehends in motivierender Weise einfordernder. Keineswegs dominierend, sondern emotional und imaginativ auf Augenhöhe. Auch die Kohärenz der Vernetzung von Komposition und Improvisation nimmt sich immer fließender aus. Demzufolge verdichtet sich somit das integrative Moment solistischer Freiräume mit determinierten Partituren. Die organisch sich aus dem großen Ganzen herausschälenden Improvisationen beziehen ihre Anegungen aus unterschiedlichen inhaltlichen Umgebungen, entsprechend dem Naturell der herausgestellten Persönlichkeiten. Dämme brachen, Astrid Wiesinger, in der Wucht polytonaler Strukturkomplexe, stakkatierende Klangfarbenexkurse, Florian Bauer, spickten abstrakte Schlieren, Post-Bop Phrasierung drehte sich einmal um rasante Bewegungsdynamik, andermal um geschmeidige Sophistication, das Metier der Trompeter. Einer ergreifenden Balladendramaturgie verschaffte diesmal Altist Preinfalk einen glimmenden Klimax. Eigenwillig, offen soundorientiert erzählte Lisa Hofmanninger mit der Bassklarinette. Feine Ideen priesen ebenfalls die Posaunisten, wobei allerdings ohrenfällig war, dass hier genauso wenig zu den Errungenschaften eines Albert Mangelsdorff Bezug genommen wurde. Neu hinzu trat diesmal, entsprechend des Ansatzes des Komponisten das Programm kontinuierlich zu erweitern, ein zündendes Bassduett, Beate Wiesinger E-Bass und Judith Ferstl Kontrabass – taufrisch mit metrisch und harmonisch frei schwebendem Melos tieftönend.  Auch Pianist Nykrin war abermals in seiner wagemutigen Fantasie brillant.

Gleichsam tritt die Vielschichtigkeit der Kompositionen immer deutlicher ins Licht. Harmonisches Raffinement, melodische Reichhaltigkeit,  iso-, polyrhythmische/-metrische Spannungsmomente. Wahrhaftigkeit, überschäumender Impetus. Muthspiel hält ein glühendes Eisen in Händen. Das Orchester als feinnerviges Meta-Instrument. In spannendster Erwartung von Teil 3.