17. August 2020
Von Hannes Schweiger

SA 08. August 2020
Geballt sensitive Nebenstraßenmusik
DUO HOFMANINGER / SCHWARZ
Lisa Hofmaninger (ss, bcl), Judith Schwarz (dr, perc)

Die gegenwärtige, epidemiegeschuldete, bedrückende Abnormität hat sich in jegliche Fassetten unser aller Leben hartnäckig festgefressen. Hierorts stehen die fatalen Auswirkungen hinsichtlich Kulturschaffen und Kulturpräsentation im Mittelpunkt. Die ganzen Unwegsamkeiten, Unvermögenheiten, Verunsicherungen, Maßnahmensetzungen, Unterstützungsprogramme sollen an dieser Stelle nicht erneut aufgetischt werden. Fest steht, dass die diesbezüglichen ProtagonistInnen, allen Widrigkeiten zum Trotz, ungebeugt enorme Energie und Kreativität freisetzen. Welch Labsal in jeglichen Belangen, wenn musikalische Wege heraus aus dieser sozialen wie emotionalen Fremdbestimmung nicht versiegen. Und jene, zwar quantitativ beschnitten aber konsequent, auf der relevanten Clubbühne aufgezeigt werden können. Aufgehört, heißt es auch bei diesen beiden gleißenden Stimmen des österreichischen Gegenwarts-Jazz. Lisa Hofmaninger und Judith Schwarz werfen einen siedenden Initiativdrang und ein durchbrechendes Klangsubstrat, einer fokussierten Vision entstiegen, in die Waagschale. In einer Fülle von Gruppierungen und Projekten setzten/setzen sie markante Akzente, ehe sie sich zum „Zwio“ zusammen taten. „Rue“ nennen die beiden ihren aktuellen Stückezyklus. Wegbeschreibungen abseits der Boulevards. Es sind die versteckten, verwinkelten Straßen mit abenteuerlichen Verläufen und sonstigen Kleinoden, die die Musikerinnen zur Erkundung erkoren haben. Eckpfeiler des Konzeptes sind melodisch knifflige Motive und gelenkige rhythmische Texturen, die jedoch nicht ohrenfällig platziert sind. Oft tauchen sie aus abstrakt fragilen Klangexplorationen auf, die den Möglichkeiten der Instrumente nachgehen, oder stehen als kennzeichnende Intraden im Raum. Realisiert oftmals im Unisono. Wobei auch ausgefuchst, das perkussive melodische Potential untersucht wird.

Überhaupt wechseln Hofmaninger und Schwarz bruchlos die Rollen zwischen melodischer und rhythmischer Funktionalität und spielen sich in ihren flüssigen improvisierten Handlungssträngen eines Modern Jazz-Genoms permanent frische Ideen zu. Spontane Stopps wirken vehement auf den Spannungsgehalt der gebündelten Narrativität zurück. Intensität bricht sich sowohl in Heftigkeit, Kantigkeit, mit deutlichem Bezug zu afrikanischer Melodik wie Rhythmik, als auch unprätentiöser Kontemplation, dem europäischen Erbgut näherstehend, Bann. Ausgeprägte Klangempfindsamkeit in enger Bindung mit rhythmischer Feinmotorik fügt sich mit eigenständiger Phrasierungs- und Artikulationsweise zusammen. Lisa Hofmaninger deckt mit Sopransaxophon und Bassklarinette ein breites Klang- sowie Oktavspektrum ab und Judith Schwarz verzahnt metrische Periodizität mit instabilem Rubato. Gegenkonforme Klänge und Tonkaskaden haben ebenso ihre Wirkkraft. Inhaltliches und instrumentaltechnisches Musizieren, das nie die Ebene hoher Kompetenz verlässt und unüberhörbar ein femininen Zugang darlegt. Grandiose Beispiele dieser Differenziertheit waren die Hommage an die einzigartige Carla Bley mit dem Titel „Carlas Cut“ mit den Verweisen auf all die typischen Charakteristika ihrer Musik, angelegt in harmonisch unorthodoxen Schnittmustern bzw. einer anrührenden Version von Joni Mitchells „Blue“ oder der Paraphrase eines Debussy Stückes. Der Jazz-Plural wird in der Musik des Duos mehrfach unterstrichen. Brennende Zeitkunst im jetzigen Zeitfluss. Entlang der Rue Magnifique mit einem wunderbaren Gebläse/Geschläge (Eigendefinition) – Gespann.