Personale Stefan Sterzinger
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Go, 60, go!
(Eine Laudatio von Rainer Krispel)
Der Event- und Spektakelgesellschaft, der wir alle miteinander ausgeliefert sind, gereichen runde Geburtstage und Jubiläen naturgemäß gerne zum Vorwand, sich zu manifestieren. Dabei einigen wir uns darauf, dass wir uns schon einmal auf oder über etwas geeinigt haben - haben wir? Wir lassen die ewige Autorität des Gewesenen und Abgeschlossenen walten, verinnerlichen jauchzend die schönen Superlative der begleitenden medialen Ankündigungen. So lange, so intensiv, bis wir glauben sie stammen als Urteil über Erlebtes und Erfahrenes aus uns selbst. Dabei zu sein ist gar nicht mehr so wichtig, davon zu „wissen“ oder „gehört“ zu haben beinahe alles – oder wenigstens ganz schön viel.
Einen runden Geburtstag von Stefan Sterzinger, 1957 in Niederösterreich geboren, seit Jahrzehnten als Wahlwiener Weltbürger aus Wien heraus als Musiker und Künstler tätig, zu feiern, ist natürlich dennoch würdig und recht. Nein, notwendig! Schließlich ist seine Musik, seine Kunst, eine vitale, streitbare und oft schon nahezu verdächtig unterhaltende Antithese zum Beschriebenen. Ziehen sich doch Veränderung und Beweglichkeit als beständige (sic!) Konstanten durch seine Arbeit. Und das seit er in den späten 1970ern, frühen 1980ern, das ihm innewohnende „Livetier“ erstmals auf diverse Bühnen freiließ, damals gemeinsam mit dem Bluesmusiker Mississippi Slow Jim – dieser war „echt“, weil aus den USA. Über „das Echte“ hatte Sterzinger in Folge einiges zu sagen, zu spielen und zu singen, einiges davon mit Franz Franz & The Melody Boys (1986 bis 1994). Von wegen „Autorität des Gewesenen“ könnten vor dieser Formation (unter Freund_innen!) nicht wenige Nachgeborene und Zeitgenoss_innen respektvoll ein bisschen stramm stehen oder die Häupter beugen, aber darum geht es ja erst recht nicht.
Ohne Stefan Sterzinger als zwänglerischen Unvollendeten oder manischen Errungenschafts-Verwerfer darstellen zu können oder zu wollen, neben dem Schalk im Nacken (on stage warm gehalten mit einer – neckischen! – Boa) rattert bei ihm ständig ein wacher, neugieriger Geist, Ideen, Anmerkungen, Beobachtungen, Fragestellungen galore wollen in gültige Formen gebracht werden. Stefan Sterzinger muss und möchte sich ja nicht zuletzt auch selbst unterhalten. Was ihm als Performer ermöglicht, unmittelbar in Interaktion mit dem Publikum zu treten, selbst wenn dieses vorerst unwillig, oder, wir sind im Land mit dem A, reserviert erscheint. Dabei geht einiges, von inhaltlich scharf bis (fast) ungetrübt witzig, von vogelzwitschernder Leichtigkeit bis zu morbider Schwere und Zähigkeit, sprachlich stets gleichermaßen pointiert, Form und Inhalt wagen ein Tänzchen, musikalisch sowieso mit dem Akkordeon Welt und Wien gleichermaßen zum Klingen bringend, unerschrocken vor auch schrägeren, „unbequeme(re)n“ Tönen. Jazz ist, wenn mensch erst recht mitpfeift.
Doch zurück zum „Handlungsprinzip Sterzinger“. Das wichtigste Album ist noch nicht geschrieben? Das spannendste Konzert noch nicht gespielt? Die forderndste/lohnendste künstlerische Konstellation noch nicht gefunden? (Und gegen den Superlativ noch kein Lied gewachsen?). Womöglich. Was nicht die Qualitäten der Arbeiten seit dem Manifest artigen Solowerk „Sterzinger“ (2008) schmälert. Dafür wurde zuviel an- und aufregende Musik mit den wechselnden Besetzungen der Sterzinger Experience gemacht, wenigstens in Ansätzen eingefangen und umrissen auf den Alben „Rock´n Roll“ (2011) und „Ashanti Blue“ (2015).
Wenn das Wiener Porgy & Bess Stefan Sterzinger zu seinem 60sten Geburstag im September 2017 mit einem 3 Konzertabende umfassenden Portrait würdigt, dann sind diese drei Konzerte mit dem Glueck & auf Orkestar (die „große“ Formation“), dem Trio Sterzinger/Koehldofer/Schaden und dem Akkordeon-Quartett Belofour nicht Rückblick oder alle Aspekte abdecken wollende Werkschau, sondern stellen seine aktuellsten musikalischen und inhaltlichen Positionen und Obsessionen (mit Belofour als Traumraum für den Teamplayer und Instrumentalisten Sterzinger) auf die schöne Porgy-Bühne. Anders wär er´s nicht, der Sterzinger, und ja, so kann mensch allemal 60 werden, hurrah
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