Sorry this part has no English translation
Es gibt keine Lösung, weil es kein Problem gibt. (Marcel Duchamp)
Es gibt ein Problem, weil es eine Lösung gibt. (Renald Deppe)
Mein Freund Renald Deppe hat am 28. Mai die Bühne des Lebens verlassen müssen, was sehr schmerzhaft und eine unglaubliche Frechheit ist! Man sagt ja gemeinhin, dass niemand unersetzbar bzw. jeder ersetzbar wäre, aber die Lücke, die Renald hinterlässt, die wird nicht aufgefüllt oder geschlossen werden können. Wobei der Begriff Lücke schon ein Euphemismus ist. Renald war – nicht nur für mich – einer der letzten Universalgelehrten, einer der letzten Universalisten, der Kunst nicht in Genres dachte, sondern als großes Ganzes, als eine Einheit, als ein Universum – und nicht nur dachte, sondern vor allem auch machte: als Instrumentalist, Komponist, Konzeptionalist, Kurator, Zeichner, Grapheinist, (Vor-)Denker, Literat, Schriftsteller, Lehrer, Aktionist, Aktivist, Improvisator, Revoluzzer, Forscher, Utopist, Realist, Handwerker, Nägel-mit-Köpfen-Macher, Humanist, Humorist, Tonsetzer, Klangmaler, Wortschöpfer, Phantast, Philosoph, Kommunikator, Vater ... und vor allem als liebenswürdiger Mensch und kreativer Zeitgenosse und grenzgenialer Kopf. Es gibt gar nicht genügend Worte und Begriffe, um das zu beschreiben, was und wer Renald alles war!
Die Lücke, die er hinterlässt, ist eine Kluft, ein Tal, ein riesiges Loch – so tief und so groß, wie er als intellektueller Individualist zweifelsohne war.
Ich lernte ihn Anfang der 1990er Jahre kennen, bei einem Konzert der von ihm initiierten Kulturspektakel in der Stadtinitiative. An das Konzert kann ich mich nicht mehr erinnern, an die erste Begegnung mit ihm aber bis heute – ein schicksalhaftes Zusammentreffen, wie sich herausstellen sollte. Ein paar Jahre später, es war 1993, da gründeten mathias rüegg und Gabriele Mazic das P&B als ein herbstliches Jazzfestival. Es war schnell klar, dass auch im Winter und Frühling und Sommer ein Club, wenn er schon einmal da ist, bespielt werden sollte. Da kam ich ins Spiel und kurze Zeit später Renald Deppe. Wir veranstalteten ab dem Januar 1994 gemeinsam Konzerte in der ehemaligen Fledermaus-Bar in der Spiegelgasse. Ziemlich schnell sprach man in der Szene von einem Triumvirat, wobei ich sagen muss, dass ich da eher die Rookie-Position einnahm. Renald eröffnete und erklärte mir eine musikalische Welt, die ich bis dato weder kannte und schon gar nicht verstand. Er öffnete mir nicht nur die Ohren, sondern auch die Augen – in Bezug auf Toleranz, Akzeptanz, Kontinuität und beharrliches Insistieren, wenn man von etwas überzeugt ist, an das man wirklich glaubt; und zwar ohne Kompromisse zu machen und ohne bei Niederlagen klein beizugeben. Der (musikalischen) Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Die Möglichkeit des Scheiterns, die Wahrheit des Moments, die Wahrhaftigkeit des Augenblicks, das waren seine Themen. Kompromisslos, wohl überlegt, gescheit argumentiert und konsequent umgesetzt. Sich der Tradition bewusst zu sein, aber sie keinesfalls zu wiederholen oder replizieren, aber auch das Momentum gehen zu lassen, weil es ein Morgen gibt und der künstlerische Blick immer in die Zukunft zielt. Für dich, mein lieber Freund, gibt es leider kein Morgen und auch keine Gegenwart, das schmerzt und ist eine absolute Gemeinheit. Aber du hast für zukünftige Entwicklungen gesorgt, du bist und bleibst eine Inspirationsquelle ersten Grades.
Mein Leben wäre um vieles ärmer, wenn ich dir nicht begegnet wäre! Gehab dich wohl, mein lieber Freund!
Ein guter Wanderer lässt keine Spur zurück. (Laotse)
Eine gute Spur lässt keinen Wanderer zurück. (Renald Deppe)
Hier ein Link zum letzten Auftritt von Renald im Duo mit Peter Herbert am 15. März 2023 im P&B im Rahmen des 80. Geburtstagsfestes von Bodo Hell https://youtu.be/dGu1HZwE4eM