Sept. 28, 2017
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

MI 27. September 2017
Fun & Games
STEVEN BERNSTEIN & SEXMOB „CULTURAL CAPITAL“
Steven Bernstein (slide tp), Briggan Krauss (as, bs), Tony Scherr (b), Kenny Wollesen (dr, sampler) + special guest: Max Nagl (as)

Alleine schon ihre Bühnenpräsenz und das einhergehende Erscheinungsbild respektive die erheiternden Ansagen des kauzigen Bernstein, waren die Vorboten eines vergnüglichen musikalischen Ereignisses. Und die Herrschaften tanzten auch nicht lange um den heißen Brei herum. Schnurstracks warf Kenny Wollesen einen sophisticaten, rockaddicted Groove ins Geschehen. Tony Scherr mischte entsprechend, mit überlegener Entspanntheit, defragmentierte, fette Hooklines hinzu. Darüber fuhrwerkten Stephen Bernstein, Mr. Slide Trumpet par exellence, und der berstend impulsive Briggan Krauss mit aberwitzigen Unisonokapriolen und Call & Response-Strukturen. Im Laufe der grandiosen Performance gesellten sich von Bernstein spontan initiierte kontrapunktische Finessen hinzu. Was soll man sagen, die vier Kapazunder sind enorm sattelfest was die Jazzanalen betrifft. Von dort schöpfen sie ihr „Cultural Capital“. Wurden tradierte Funktionalismen und Formgebungen angezapft, wobei sich Bernstein, Hauptkomponist und Arrangeur der Band, bevorzugt im BeBop-Terrain herumtreibt, schwang, geschmacksicher gehandhabt, Schelmisches mit. Doch es fehlte nie an Seriosität, wenn eine swingende Horde an Klängen in eine Rockwalze umkippte, wenn lässige Neo-Bop Figurationen in einem entfesselten Klangfarbenfurioso, teils versetzt mit typischem NY-Down Town Trash, explodierten, wenn Interpretationen von Filmmusiken Nino Rotas, Zitate eines Ellington Tunes, Tangoeinsprengsel oder La Banda bzw. Marching Band Anklänge mit liebenswürdigen Understatements in diesen so hinreißend originellen, flockigen Sex Mob „Klangkapitalismus“ transformiert wurden. Grandios, die dabei angewandte kollektive Energie, diese uneitle Perfektion und, analog zur Konzeption, das solistische Grenzgängertum eines jeden einzelnen. Apropos solistisch: mit einer derartigen Aufgabe war als Gast in zwei rhythmisch wie arrangementtechnisch verschachtelten, hochdramatischen Stücken, mit Up-Tempo Motorik, zusätzlich die österreichische Saxophongröße Max Nagl betraut. In gelösten, quecksilbrigen Improvisationen verdeutlichte er die einhellig stimmige “Chemie“ zwischen Bernstein und ihm. Nicht zu kurz kam ebenso die sentimentale Ader des Kollektivs. Da wurde ausgebreitet, mit welch  hinreißendem Herz/Schmerz man auch „schnulzen“ kann. Auge blieb da keines trocken. Und in einem kurzen „Sing Along“-Stück verpackten Bernstein & Co eine spaßig feine Würdigung an Porgy & Bess Mastermind Christoph Huber. Das spricht doch Bände. Sex Mob verkörpern die pluralistischste, zeitgenössische Form der harmonieinstrumentelosen Jazzquartett-Konzeption, mit der Gerry Mulligan dereinst Jazzgeschichte schrieb, die Ornette Coleman in neue Sphären führte und die John Zorn abermals verdichtete und von den „Geschlechtsreifen“ nochmals stilästhetisch gehörig durchmischt wurde.

Außerdem war man an diesem Abend Zeuge der neu installierten PA-Anlage im Club. Ja, ihre Ohren werden staunen.