April 23, 2018
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

SO  22. April 2018
Lost In Music 
PAT MARTINO TRIO
Pat Martino (g), Pat Bianchi (org), Carmen Intorre Jr. (dr)

Prinzipielle eine schöne Vorstellung bzw. ein wunderbarer Zustand sich in der Musik zu verlieren. Aber im Falle von Pat Martino bekommt jene Metapher noch eine andere Dimension. Denn wie bekannt, verlor Martino bei einer Kopfoperation vor Jahrzehnten zu mehr als zwei Drittel sein Erinnerungsvermögen, womit er gleichfalls seines musikalischen Gedächtnisses verlustig ging, und musste sich als Musiker im wahrsten Sinne neu erfinden.

Was ihm nach seinem ersten „Leben“ als Jazzgröße, spielte er doch als Twen z.B. an der Seite der großen, neudeutenden Jazzorganisten Jimmy Smith und Jack McDuff oder Stilisten wie James Moody,  John Handy, Eric Kloss, Chick Corea, Dave Holland, Jack DeJohnette sowie in eigenen Projekten mit Koryphäen wie Joe Farrell, Richard Davis oder Billy Hart, mit bewundernswerter Bravour ein zweites Mal gelang. Zum x-ten Male im Club gastierend, faszinierte er an diesem Abend grund seiner „Klangkonnex-Magie“ erneut das Publikum.

Der Gitarrist hat sich eine unverkennbar individuelle Deutung der Jazzgrundlagen zu Eigen gemacht. Er hat dem sich verpflichtet fühlenden Entwicklungsstrang beginnend mit Charlie Christian über Johnny Smith, Wes Montgomery, Jim Hall bis Georg Benson reichend mit seinem das modale Kontinuum noch weiter ausreizenden Spiel zusätzliche Möglichkeiten, die nachfolgend Einfluss ausübten, erschlossen. Seine vife Vermengung von Teilaspekten aus Rhythm ´n´ Blues, Cool Jazz und hitzigem Hard Bop überträgt Martino in einen aufgeschlossenen Konformismus, in dem ziemlich zwanglos mit Form, diese jedoch nie auflösend, im Rahmen der Jazztradition Unorthodoxes modelliert wird. Mit sozusagen zwei „goldenen Händchen“ ließ er sein Instrument, auf narrative Qualität bedacht, wahrlich singen. Die auf natürlichste Weise strömenden Single Note Lines zeugten von frappanter Improvisationskunst und melodischer Phantasie, seine Akkordbauten andererseits, die er mit ausdifferenzierter perkussiver Attack ausgestaltete, von spezifischer harmonischer Erfindungsgabe. Gleich Pinselstrichen überzog Martino mit seinen Soli eine von seinen kongenialen Partnern mit viel Esprit ausgestaltete „Klangcanvas“, die der grandiose Organist mit raffinierter, wuchtiger Akkordik, die einer Bläserphrasierung folgt, zudem umspielt in perfekter Koordination mit hinreißend swingenden Basslinien, maßgebend grundierte. Zumal  Bianchi auch rhythmisch, in tiefgreifendem Austausch mit den eloquent platzierten rhythmisierten Blockakkorden von Martino, die Energiezufuhr steuerte. Drummer Intorre war ein solidier, versierter Unterstützer, setzte jedoch keine Akzente und wirkte fallweise zu hölzern. Außerordentliche Spannungsimpulse injizierte abermals Martino mit meisterlichem Wechsel zwischen dem Spiel vor bzw. hinter dem Beat - der Intuition anvertraut. Intuition dominierte auch die stupende Interaktion innerhalb der Trias. Ein Umstand der es Martino und Bianchi ermöglichte, sich ausgewählten Fremdkompositionen wie u.a. Wayne Shorters „Footprints“ oder Sonny Rollins „Oleo“ aus gänzlich anderer harmonischer Richtung zu nähern. Originalität strahlte auch hier nach allen Seiten. Derart etabliert sich Überlieferung in  der „Present Perfect“. „Formidable“ als Titel des Abends, hätte nicht besser gewählt werden können.