May 1, 2018
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

MO 30. April 2018
Ö1 Jazztag & Euroradio Jazz Day & International Jazz Day 2018
Das Buch der Jazztöne und sein jüngstes Kapitel
MARIO ROM´S INTERZONE
Mario Rom (tp), Lukas Kranzelbinder (b), Mathias Koch (dr)

IRENE SCHWEIZER SOLO
Irene Schweizer (p)

HUMAN ELEMENTS
Scott Kinsey (keys), Matthew Garrison (e-b), Gary Novak (dr), Arto Tuncboyacian (congas, perc)

Verordnete Thementage zu allen möglichen und unmöglichen Inhalten nehmen ja inzwischen höchst inflationäre Züge an und erlangen mittlerweile den Anschein von Oberflächlichkeit und eines fragwürdigen Bedienens/Besänftigen von Interessensgruppen oder verkommen zur einträglichen Geschäftsidee. Seit 2011 installiert man nun jährlich auch den auf eine Initiative der UNESCO zurückgehenden International Jazz Day, den die europäischen Radiostationen (jene die in der EBU vertreten sind) zu einem Euroradio Jazz Day gestalten. Österreichs Kultursender Ö1 stellte an diesem Tag einen Großteil seiner Sendeformate unter das Motto Jazz – betrachtet, gehört aus verschiedenen Winkeln. Die Idee soll jedoch hier nicht besserwisserisch geschmälert werden, denn die Verbreitung der wohl liberalsten, offenherzigsten Musik erhält vielleicht, auf den heutigen gesellschaftspolitischen Zustand der Weltordnung bezogen, eine dringliche Notwendigkeit wie schon lange nicht. Diesbezüglich darf nicht überhört werden, dass unter der neuen Leitung der Ö1-Jazzredaktion die Sendezeiten für Jazz in den letzten zwei Jahren erheblich ausgedehnt wurden. Es bleibt zu hoffen, dass auch fürderhin als relevanter Sender Bedacht darauf genommen wird, sich nicht als der große Retter und Förderer des Jazzlebens in Österreich zu inszenieren, sondern gleichwohl gebührend die vielfältigen Aktivitäten anderer Jazzinitiativen beleuchtet werden. Das im Rahmen der Veranstaltung ein in Partnerschaft mit der Jam Music Lab Privatuniversität neu installiertes Ö1-Jazzstipendium vergeben wurde überraschte und irritierte ob seiner ungelenken Präsentation. Sehr öffentlich wurde dieses Thema im Vorfeld nicht abgehandelt. Preisträger ist der noch weitestgehend unbekannte Saxophonist Robert Unterköfler. Soviel dazu. Nun jedoch zu den musikalischen Jazz-Abenteuern die im Zentrum des diesjährigen Ö1 Jazztages standen und live (inklusive eines ungewohnten Sendeausfalls) übertragen wurden. In enger Kooperation mit The Jazz-Club Porgy & Bess wurde ein höchst aufregendes wie überraschendes „Drei Gänge-Programm“ ausgetüftelt. Den Abend fulminant eröffnend schickte sich Mario (St)Rom mit seinem Trio Interzone an. Darüber, dass das Trio mit seiner „earsinnigen“ Musik die junge heimische „Jazz Serie A“ anführt und Mario Rom zu den grandiosesten Trompetern der gegenwärtigen Jazz-Nachfahren zählt, kam erneut kein Zweifel auf. Daran änderte auch eine kurzfristige Besetzungsänderung hinter dem Schlagzeug nichts. War doch für Stammmitglied Herbert Pirker der Lieblings-Substitut der Band, Mathias Koch, eingesprungen. Gleich zu Beginn stürzte sich das Triumvirat in eine brisante Up-Tempo Prozession, die sich durch den kompletten Gig zog und aus der nur durch gelegentliche dunkelgefärbte Lyrismen das Tempo herausgenommen wurde. Das erstklassige „K & K“-Rhythmusgespann montierte ein pulsierendes Botenstoffreservoire aus Jazz-Fundamentalrhythmen mit spannenden Akzentverlagerungen, kurzzeitigen Auflösungen oder Überkreuzungen und Gegenläufigkeiten bzw. geschickt gesetzten Off-Beats und Stops. Das ist sozusagen das Skelett der Stücke die allesamt aus dem Kreativfundus von „The Boss“ stammen. Losgezogen wurde sowohl von komplexen Simultangesten aus, als auch von markigen Ostinaten oder autonomen Tonketten. Daran knüpfte Mario Rom seine brennheißen Improvisationen, die er pendelnd zwischen Motivböcken und Melodieausbrüchen mit Interventionen reiner Klangfarbensequenzen, zusammenfasste. Und kaum ein Trompeter derzeit hat auf die Jazzevolution seines Instrumentes eine derartige umfassend integrative Sichtweise. Interzone schreibt federführend am jüngsten Jazzkapitel mit.

Im offenen Buch der Jazzverlaufsgeschichte blätterte folgend, in der Umgebung eines ihrer berühmten Solokonzerte, die große Stilistin des Jazzpianos Irene Schweizer. Ihre  Errungenschaften und Initiativen für die frei improvisierte, jazzfundierte Spielhaltung, deren europäische Ausformung sie maßgeblich mitgestaltete, sind ebenso bedeutungs- wie verdienstvoll. Speziell auch als Leitfigur nachfolgender Generationen von Musikerinnen. Die Freude über die Einladung zu diesem Abend stand ihr ins Gesicht geschrieben, was sie nicht nur verbal sonder vor allem mit einem fulminanten musikalischen Statement kundtat. Ohne Zögern legte die Pianistin einen vielschichtigen, von der Abgeklärtheit einer freigespielten Musikerin getragenen Erzählstrom aus. Ihr Pluralismus ist heute umfassender und „entfesselter“ denn je. Das ganze Jazzuniversum leuchtete aus dem Flügel. In kurzweiligen Episoden, die an einem beziehungshaften Verlaufsbogen aufgefädelte waren, reflektierte Schweizer ihre Sozialisation anhand, ihre Erfahrungen mit und die Einflüsse durch den Jazz. Einem Freiheitsdurst bzw. einer Freigeistigkeit folgend, über den gesamtem Materialbestand nach Notwendigkeit zu verfügen. Von Ragtime-Elementen über Bluesschemen, boppige Kaskaden,  hypnotische Parameter der Rhythmik und Pentatonik südafrikanischer Kwela-Musik, die sie in ergreifenden Versionen von Stücken eines Abdullah Ibrahim und Jonny Dyani aufgriff,  Klangqualitäten Neuer Musik-Ästhetik, bis zu ungebundenen Klangfarbenbündeln spannte sich die Palette, die Irene Schweizer mit Souveränität in ihrem singulären Spiel auftanzen ließ. Dur und Moll, Chromatisches und Diatonisches, Tonales und Atonales, Komponiertes und ad hoc-Erkorenes können kaum homogener und integerer  ineinanderfließen – mit einem hohen Grad an Spannung und Entspannung. Begnadete Hexerei. Unabhängig vom Ö1-Jazztag schloss das Porgy den International Jazz Day mit einem vertrackt groovenden Konzert einer prominent besetzten Fusion Band ab. Sehr erfrischend aus den Jazzrockpfründen der einstigen Schlüsselkollektive wie Weather Report etc. zitierend, mixt das Quartett seine, zweifelsfrei originelle Jazz/Rock/Funk-Tinktur. Meisterhaft ausgeführt. Kurzformel: Soft Weather Return. Was soll man nach dem Abend sagen: Jazz duftet.