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DI 27. November 2018
Romantisches Jazzecho mit Kratzspuren
LIA PALE/MATHIAS RÜEGG „The Brahms Song Book“
Lia Pale (voc, fl, b-fl, perc), Mario Rom (tp), Ingrid Oberkanins (perc), Hans Strasser (b), mathias rüegg (p, arr)
Gebührend fand auch im laufenden Konzertkonvolut, welches in dieser Saison unter der umspannenden Klammer 25 Jahre Porgy & Bess steht, dessen Gründer mathias rüegg mit einem aktuellen Projekt, das er erneut mit der österreichischen Sängerin/Flötistin Lia Pale aus der Taufe hob, Platz. Nach der feinsinnigen, wie schlanken, jazzaffinen Umdeutung von Liedern der Säulenheiligen der Hochromantik Schubert und Schumann stand nun die entsprechende Modifikation von Liedern des Dritten im Bunde, Johannes Brahms, auf dem Programm. rüegg schuf als Arrangeur in diesem Falle gleichlautend eine koinzidente Umarmung von klassischem Kunstlied und der Songästhetik der letzten hundert Jahre. Bedacht, die hohe Melodiequalität der brahmsschen Lieder zu wahren, verhielt sich rüegg mit Ergänzungen sehr zurückhaltend, unterstrich zusätzlich deren klare Konturierungen sowie lyrisches Ergehen und bezeugte seine von frühester Jugend an bestehende Faszination für die Lieder der klassischen Romantiker. Vielmehr experimentiert rüegg in seinen Arrangements mit den relativ komplizierten Originalrhythmen und lässt ihnen eine einigermaßen zwingende jazzrhythmische Raffinesse angedeihen. Aus den Vorlagen wurden dezent groovende Ostinate oder markante Hooklines herausdestilliert. Angesiedelt in einem Tempobereich von Andante bis Moderato und dynamisch im Mezzoforte. Hier offeriert sich allerdings ein kleines Manko. Um wirklich Bewegungsenergie und swingenden Verve entstehen zu lassen, ist die Rhythmusgruppe unterbesetzt. So eine ausgezeichnete Perkussionistin Ingrid Oberkanins ist, sie konnte das Antriebsmoment eines fehlenden Drummers nicht kompensieren. Sie versucht zu tänzeln, aber sie fliegt nicht. Die rhythmische Intensivierung lag bei Bassist Johannes Strasser. Umsichtig, versiert als Begleiter wie virtuoser Solist, der Einflüsse des fantastischen NHOP erkennen lässt. rüegg blieb der subtile Begleiter, denn der Solist, der fragmentarisch strukturierte, harmonische Alterationen, rhythmische Impulse, kleine Verzierungen initiierte.
Das Blut in die Adern der Musik ließen die beiden jungen Kreativkräfte schießen. Lia Pale, deren geradlinige, klartimbrierte Stimme eine ergreifende Kongruenz mit dem Melos von Brahms bildet, revitalisiert die Gesangslinien in sehr eigener, elastischer Phrasierung und lässt sie somit im Jetzt gültig sein. Gleich tat es ihr, melodisch fintenreich weiterführend, gefühlvoll kontrapunktierend/„off-beatend“ und ausbrechend aufkratzend, einfach grandios, Trompeter & Hauptsolist Mario Rom mit gezügelter, differenzierter Attack in seinen Improvisationen. Spannende Klangfarbenmotive ergaben ein-, zweimal die Unisoni von Bassflöte und Trompete, die die alten Themen neu ausleuchten – hätte ausführlicher, ebenso wie Pales Flötenspiel, sein können. Sie „catchte“ das Publikum zudem mit unaufdringlicher, sympathischer Bühnenpräsenz inklusive launiger Ansagen. Natürlich waren keine Anderswelten zu erwarten. Dennoch wäre abgeklärter Wagemut, den rüegg einst so inspiriert anwandte, für die weitestgehend von Altersmilde durchdrungenen Musik, die allen Liedprojekten eine gewisse Gleichförmigkeit innewohnen lässt, eine auffrischende Reibefläche. Zugegebenermaßen hat das Duo Pale/rüegg aus der Imaginationskraft europäischer Musiktradition und des Jazzidioms ein eigenes Narrativ gezogen. Vielleicht mit Nachklang.