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DI 11. Dezember 2018
Frei improvisiertes Mantra
OM
Urs Leimgruber (ss, ts), Christy Doran (g, devices), Bobby Burri (b, devices), Fredy Studer (dr, perc)
Es war die radikal vorangetriebene Jazzkunst und der „Kunst-Rock“ der 1960er Jahre, die vier junge Schweizer Musiker zu Beginn der 1970er Jahre für die Improvisationsmusik brennen ließ und auf Wissensbasis dieser beiden Spielhaltungen anspornte, eine zutiefst eigenwillige Gemengelage herauszufiltern. Festgeschriebene Rockenergetik wurde mit dem Freiheitsdurst des Jazz neu vermessen. Die Sanskritsilbe „OM“, inspiriert dazu von John Coltrane und Don Cherry, war als Name für den musikalischen Forschungskreis auserkoren. Doch anders als die damals etablierte Jazz-Rock Formel mit ihren wuchtigen, hochkomplexen Strukturverläufen und aberwitzigen Tempi, wobei sich des Öfteren Plakativität einfand, abstrahierten die Om-Musiker die rockidiomatischen Parameter, brachten diese in Schräglage, verabreichten ihnen klangliche Ausdehnungen und setzten auf Transparenz im Tiefgang. Das verschaffte der Band internationale Reputation und jeder der Musiker reifte zu einem ausgewiesenen Stilisten. Nach an die zehn Jahre konsequenter Erkundungsarbeit wurde das Projekt zunächst auf Eis gelegt. Doch der Reiz zur Neuverortung tauchte sporadisch immer wieder auf. Kürzlich war es wieder soweit – OM kam erneut in die Gänge und tourt. Zwischenzeitlich hat das Quartett seine Ästhetik einigermaßen radikal verändert. Vorgabenaussparende Klangfarbenimprovisationen repräsentieren jetzt den Ansatz. Angelegt als kollektiver Kreativakt. Gespielt wurden zwei Sets – hieß, zwei ausgedehnte Ereignisbögen. Ganz der häufigen Gepflogenheit frei improvisierter Musik entsprechend, war ein an der Hörbarkeitsschwelle angesiedeltes Herantasten Ausgangspunkt für das Erschaffen der Aggregatzustände. Diese gerierten sich in feinstofflicher Konsistenz, agogisch mutierend, metrisch/rhythmisch weitestgehend indeterminiert. Melodisch und harmonisch tauchten nur gelegentlich tonale Bezugsquellen auf. Klangliche Extrembereiche, vor allem Leimgruber brachte speziell auf dem Sopran zuweilen Unerhörtes ins Spiel, bestimmte das empfindsame Interplay. Explizit Eigenes nach wie vor transportierend. Auffallend war hierbei die Fähigkeit des „ad hoc-Komponierens“ von Form. Ob konkrete Linearität oder bizarre Verästelungen. Das Pendeln zwischen Spannung und Entspannung verantwortete zudem etliche intensive Ausdrucksmomente. Vor allem wenn Studer sein Outside-Drumming zu repetitiven Schlagmustern umleitete, ein verquerer Groove daraus resultierte und sich im Einfinden mit Doran und Burri eine energischere Ereignishaftigkeit zutrug, die auch Leimgruber hie und da zu funktional gebundenerem Spiel, von substanziellerer Inhaltlichkeit bewog. Dennoch gab sich das Quartett zu dogmatisch einer Improvisierten Musik-Diktion hin und zeigte sich einigen Klischees der frei improvisierten Musik zu deutlich zugetan. Sei es die Crescendo/Decrescendo-Praktik oder übermäßig geräuschgeflutete Klangqualitäten. Das war dann öfters der Sperrigkeit zu viel. Jene symmetrische Körperlichkeit die ein Eckpfeiler der OMschen Musik immer war, geriet ins Schwinden. So sehr offene Türen zu Freiland aufgestoßen werden, so sehr kann man sich auch verlieren. Zumal, sich neu zu erfinden ist ja gleichsam eine elementare Mentalität. Erfreulich, dass die vier Könner als OM wiedergekehrt sind. Es geht erneut ums Eingemachte.