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MO 17. Juni 2019
Fallstudie der Unabgeschlossenheit
HEINZ SAUER & UWE OBERG
Heinz Sauer (ts), Uwe Oberg (p)
Der alte Mann und sein Saxophon. In seinen späten Achtzigern. Immer noch steht da eine kraftstrotzende Persönlichkeit von imposanter Körpergröße auf der Bühne. Einen Ton von sich gebend, der noch immer blutet, nach Leben giert, aller Emotionalität gewahr ist. Heinz Sauer – der von seiner europäischen Verwurzelung aus, vor allem als Stilist, einen wesentlichen Beitrag in den dogmabefreiten, strukturbewussten Free Jazz Ansatz einbrachte, den er mit Eigensinn nach wie vor weitertreibt. Sein Quellgebiet: die afro-amerikanische Jazztradition, ab der Bebop Modernität. Die adaptiert er mit allem Respekt. Reflektieren der eigenen Bindungen und auf dieser Grundlage Kreativität entfalten. Sauer ist darin eine echte Größe. Zum hohen Alter hin hat er sein wandelbares Spiel ökonomisiert. Aus dem Steggreif ohne viel Vorgefasstes formuliert er zusehends seins Improvisationen. Choreographiert als tonal zentrierte Motiveinheiten, Themen umspielende, unorthodoxe Chorusse oder verdichtete, reine Klangfarbenphrasen – kratzbürstig, exaltiert intensitätsgeladen. Gerne zitiert er dann Shepp. Mit Kauzigkeit; wie er sich eben auch auf der Bühne bewegt, zum Mikro hingewendet oder davon abgewendet, vom Bühnenrand resolut in den Raum tönend. Jede dieser Materialbündelungen strotzte vor unerschütterlicher Glaubwürdigkeit. Mitentscheidend sind dabei die Aussparungen die Sauer zwischen seinen Linien setzt. Schrittweise Weitungen des Klangraumes. Dem tut es sein Partner auf seine Weise selbstbewusst gleich. Letztgenanntem begegnet er mit subtilen, strukturellen Details. Oberg oszilierte mit offensivem Prosaisierungsansatz zwischen den Polen progressives Jazzidiom und neuerer Kompositionsavantgarde. Daraus destilliert er eine feinstoffliche Synthese, in der auch wie in Sauer Spiel, die Bedeutung jedes Klanges gewürdigt wird. Aber die improvisatorische Nutzbarkeit steht voran. Der Pianist positioniert sich als textureller Reibebaum, reichlich mit herausfordernden, harmonischen, melodischen wie rhythmischen Widerhaken versehen. Lediglich durch „Innenklavier-Spielereien“ hakte Obergs eloquenter Spielfluss einmal. Sauer hielt dagegen, griff die Intentionen auf, atomisierte sie zuweilen mit raubeinigen Gesten. Andererseits verschmolzen die Phantasien unversehens zu unsentimental lyrischen Zwiegesprächen. Allerlei Möglichkeiten spontan durchdenkend. Außerordentlich ergreifend gelang dies in den paraphrasierten Deutungen der Komposition „Bloodcount“ von Billy Strayhorn bzw. Coltranes „Wise One“. Dem Kurzweil zugetan streiften Sauer und Oberg synchron durch erweiterte Tonalität. Ein unbeugsames Plädoyer für die Offenheit - zweier erstklassiger, von Eingebungen durchfluteter Improvisatoren. Jedweder Enge spottend. Ihre Philosophie: Musik ist ein einziges klingendes Bewegtsein. An das Abschließen seines Kompendiums der Jazzklänge verschwendet Sauer, so vermittelt er´s, nach wie vor keinen Gedanken.