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SO 24. November 2019
Instabile Wertschöpfung – Kurzfassung
ZINGARO/TRAMONTANA/LÉANDRE/LOVENS „SUDO QUARTET“
Carlos Zingaro (v), Sebi Tramontana (tb), Joelle Léandre (b, voice), Paul Lovens (selected dr & cymbals)
Die frei improvisierte Musik ist nun endgültig in die Jahre gekommen. Angesprochen ist hier jene Spielauffassung europäischer Provenienz, die sich vorgabenlos der Klangfarbensynergie in Momentaktionen zuwendet. Gepflegt wird sie in dieser Form heutzutage vornämlich von der „Gründergeneration“. Klischees haben sich gleichwohl mit Beständigkeit herausgebildet. Die rigorose Entgrenzung etablierter Reglements, das Kaprizieren auf „non-idiomatisches“ Klangschaffen ist zur ziemlich rigiden Richtschnur geworden. Frei improvisierte Musik in dieser Diktion versprüht mittlerweile eine „klassizistische“ Aura. Außer Zweifel stehen natürlich die musikgeschichtlich relevanten Errungenschaften der strukturellen wie klanglichen Befreiungsschritte. Trotzdem das Hamsterrad ist symptomatisch geworden. In eben der Spätmoderne, also der zeitgenössischen Bestandsform, muss jene sich gebildete Kruste, analog zu den einstigen Ansätzen des Free Jazz, aufgebrochen werden. Was eine junge Generation von JazzmusikerInnen/ImprovisatorInnen in kreativster Weise mit pluralistischer Freizügigkeit vollzieht. Vier altvordere, signifikante VertreterInnen besagter freien Improvisationsbewegung, die auch schon erhebliche Zeit lang im Quartett umtriebig sind, gaben eine Kostprobe ihres ästhetischen Ansatzes mit eingangs erwähnten Charakteristika. Auf hohem Niveau. Unverzüglich legte die Equipe ein sehr fein strukturiertes Klangflies aus. Opulente Farbigkeit tropfte aus den Partikeln, Phrasen, Tonfolgen herab. Léandre installierte mit ihrem grandiosen arco-Spiel eine kontinuierlich wogende Flächigkeit, melodisch hintergründig, in die sie öfters repetitive Pattern, die fast schon Riff-Charakter mit rockigen Spurenelementen aufwiesen, hineinsetzte. Gedehnt ausgelegt, ergab sich mit der großgedachten „Raumarchitektur“ des selektiven Klangsammlers Lovens, darin ein Ausgezeichneter, der nun auch offiziell ausgezeichnet ist, er ist Träger des diesjährigen Albert Mangelsdorff-Preises, eine fluktuierende, lose Rhythmuspulsation. Im Spannungsverhältnis von ungebundener Klangsetzung und unoffensichtlichem Timekeeping, z.B. mit leichtfüßigen Four Beat-Grooves, womit der Schlagzeuger immer wieder überraschende Wendungen herbeiführte. Die Melodieinstrumente strebten zur Verdichtung. Tramontana mit kleinteiligen, wendigen, geräuschgeneigten Klangchiffren, Zingaro meist zu üppig, zu rastlos. Nach anfänglichen interaktiven Verwackelungen konstituierte sich der Ereignisbogen, in Bagatellen gegliedert, auf dem Fundament jener Archetypen frei improvisierter Musik, der Flow errang eine gierende Konsistenz, ehe dieser abrupt und in einer irgendwie angespannt wirkenden Stimmung unter den Akteuren gekappt wurde. Was deutlich im Widerspruch zu dem stand, was musikalisch sich anzubahnen schickte. Ein mit knapp 50 Minuten doch ungewöhnlich kurzes Intermezzo im Rahmen eines Clubkonzertes, das etwas irritiert zurück ließ. Beginnt sich da mittlerweile die Lust der Routine zu beugen? Kein wirklicher Südwind.