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MO 27. Januar 2020
Vom Winde verweht
KAZE & IKUE MORI
Ikue Mori (laptop), Satoko Fujii (p), Natsuki Tamura (tp), Christian Pruvost (tp), Peter Orins (dr, perc)
Intrada: Strenge Kammer. Corazón resplandeciente. „Kammerrat“ Renald Deppe, Mastermind der Lost & Found Konzertreihe in eben dieser Örtlichkeit, dem wunderbaren Versuchslabor für junge österreichische oder hier lebende MusikerInnen, hatte diesmal das „Streichquartett“ der gebürtigen Costa Ricanerin Phoebe Violet, seit etlichen Jahren in Wien ansässig, zur „Kammermusik“ geladen. Betreffend der Instrumentierung des Ensembles, wenn man so will, der sogenannten Gattung zurechenbar, aber was die Inhaltlichkeit und Extravertiertheit der musikalischen Hervorbringung betrifft, hebt das Quartett, das übrigens anstelle der Viola einen Kontrabass einbezieht, kämmerische Intimität aus den Angeln. Allem voran durch die beeindruckende Bühnenpräsenz der Leiterin an der Geige und mit Stimme. Das übertrug sich unmittelbar auf ihre Mitspielerinnen/Mitspieler. Agata Sikorska (v), Zsófia Günther –Mészáros (cello) – Mitwirkende bei den Wiener Symphonikern – und an Stelle des verhinderten Mathias Krispin Bucker (b) ein ebenfalls in Wien lebender Venezolaner. Für die Musik, verfasst in kunstfertig arrangierten Instrumentalstücken bzw. nochmals unter die Haut gehenden Liedern, echtem Leben zugewandt, steht Violet gerade. Und wie. Als Ingredienzien für ihre klangweltliche Individualität sind ihr lieb und wert, südamerikanisch Volksliedhaftes, Sephardisches, Flamenco, mediterrane Folklore mit teils Anregungen der europäischen Kunstmusik gekoppelt, aber auch in die Umgebung von Jazz und Popmusikalischem verpflanzt. Angetrieben von sattsamer Latin-Grooveness. Virtuos musikalisch kollektiviert – glühenden Herzens.
Später ein Stockwerk tiefer: Blowin´ in the wind. Das unorthodox besetzte Projekt Kaze (japanisch für Wind). Japanisch-französische Freundschaft rund um die kapriziöse Pianistin Satoko Fujii. Erstmals dabei im Zuge der Zehnjahres-Jubiläumstour, die Down Town New York-Japanerin und Sampler-Pionierin Ikue Mori. Ein simultan gespielter, sirenenartiger Dauerton aus den beiden Trompeten stand am Anfang. Minutenlang. Minimale Modulationen erzeugten glimmende Obertonverläufe. Behutsam pirschten sich Piano, mit sparsam gesetzten, harmoniesperrigen Akkordalterationen, und ein rein soundkonzentriertes, zeitverschiebendes Schlagzeug heran. Ikue Mori generierte poitilistische, elektroakustische Tonkomplexe, denen ein asymmetrisch rhythmisches Pulsieren eingeschrieben war. Mit verblüffender Präzision platzierte sie ihr elektroakustischen Soundscapes dort wo im Schaffensprozess ihrer MitspielerInnen „Niederspannung“ überhand zu nehmen drohte. Neue Räumlichkeit ließ sie entstehen, die dem Prozess freier Improvisation, wenigen strukturellen Fixierungen unterliegend, Konsistenz und Architektonik gab. Vorwiegend die beiden Trompeter durchmaßen losgelöst improvisierend, monadisch als auch in parallel geführter Polyphonie, ausgiebig das spezifische Bandkontinuum. Frei fließende Phrasierung, geweitete Klangpalette, konzentrierte Impulsivität. Fujii schritt in ihren Exkursen gleichfalls Grenzen ab und darüber hinaus. Blieb jedoch in ihrer Sprödigkeit irgendwann hängen, was das harmonische Fluidum der Musik zu Bruchstückhaftigkeit verdammte. Mori fing mit ihrem einzigartigen Samplekonglomerat aus artifiziellen und mechanischen Sounds etliche Versprengtheiten auf, konnte aber den Spannungsabfall gegen Ende hin nicht kompensieren. Das freie Erfinden von Form, die momentgenerierte Improvisation ohne texturelle Verankerung tanzte hier zwar phasenweise am Grat des Scheiterns, dennoch war die Musik im Endeffekt in ihrer erkundenden Risikobereitschaft, ihrer stringenten Substanz überzeugend.