June 30, 2020
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

DO  25. Juni 2020
Im Raum die Weite
VIOLA FALB/ BERND SATZINGER/ MARK HOLUB
Viola Falb (as), Bernd Satzinger (b), Mark Holub (dr)

Anfänglich mit abgerundeter Artikulation verzierte eine fragile, perforierte Melodie, die das Formelhafte umging, den Raum. Dorthin verpflanzt von Viola Falb. Jene wunderbare Musikerin/Saxophonistin, die als der Teil der Wiener Jazzwerkstatt Kooperative zu Beginn der 2000er Jahre, deren einer der maßgeblichen Initiatoren auch Bernd Satzinger war, einen erfrischenden, juvenilen Improvisationsmusik-Ansatz offerierte und hernach der Etablierung der weiblichen Kreativkraft im heimischen Jazzbiotop in den letzten beiden Dekaden ganz wesentliche Anstöße verpasste. Interessierte schwärmen von vielen ihrer musikalischen Ideen in hohen Tönen.

Seit Geraumem widmet sich Falb im Verbund mit Bernd Satzinger und dem „American in Vienna“ Mark Holub  nun auch der jazzmusikalischen Spezial-Disziplin „Saxophon Trio“. Daraus resultierende harmonische Flexibilität wurde vom Trio elaboriert im musikalischen Außen- wie Innenraum ausgekostet. Sodann, als Bass und Schlagzeug assoziativ mit dem Verständnis einer ausgedehnten Freiräumlichkeit hinzutraten wurde der Melodieverlauf und Falbs Ton räudiger, stakkatohaft durchdringend. Die konzeptionelle Offenheit gebot dem Terzett ein weitläufiges Spiel mit der Dehnbarkeit von teils spontan ersonnenen Formgebungen und der Zeitgliederung. Bei letzterem war jegliches Taktstrichdenken ad acta gelegt. Die improvisatorische Interaktion stilisierte sich zum Werk. Durchwirkt von einigen vorgefassten thematischen Einheiten oder Riff-Motiven wurde es in Fragmente zerlegt, variiert, umgeschichtet und mit neuer Perspektivik bedacht. Der Entstehungsprozess ist ein emanzipativer. Improvisationen erscheinen demnach nicht mehr als Folge von Chorussen sondern nutzten unnormierte Ausbreitungsmöglichkeiten im Raum. Viola Falb, Altsaxophonistin von speziellem Individualformat – landesweit und weiter, berührte, packte, ergriff mit nuancenverschiebender Spielweise, gegliedert durch eine zwischen retardierend und forcierend wechselnder Melodierhythmik, großer Flexibilität der Tongebung, vom Hauchen zum resoluten Schrei, Wendigkeit der Phantasie. Gleichrangige Meister an ihren Instrumenten bzw. betreffend des Einfallspotentials sind die Partner der Saxophonistin. Satzinger erdete sowohl die Ereignishaftigkeit als er sie auch zu feinstofflichen Abstraktheiten anregte. Groß im Ton, Übersicht, Konzentratbildung in der Improvisation. Ausgeprägte Fähigkeiten für die Vertiefung in Klangfarben schlug Mark Holub auf dem Drum-Kit an. Metrisch ungebunden markierte er aperiodische rhythmische Kleinteiligkeiten, deutete fallweise „Jazztime-keependen“ oder rockigen Groove an und umspielte nächstens den Beat wieder mit offenem Pulsieren. Außerordentlich sublim, mit enormem Drive unterfüttert, ob offensiv oder unterschwellig. Speziell in seinem dynamisch und klanglich differenzierten Spiel auf den Becken, erhörte man Affinitäten zum großen Tony Williams. Was das Trio besonders kennzeichnet ist das Auskosten des inspirierten Augenblicks, das Aufspüren neuer Inhaltlichkeit und von Wendungen in der Magie des Momentes. Auch wie sich punktuelle Aggregatzustände in irisierende Flächen auffächerten. Dieses verschmolzene Dreigestirn verlautbart keinen Jazz der Mitte sondern durchforstet die diese umschließenden Außenzonen. Inspirationen des Post-Free Jazz der 1970er Jahre, speziell britischer Prägung, sind wichtige Transmitter. Allerdings, die intellektuelle Heiterkeit und Reflexionskraft der drei formt daraus eine Musik dezidiert eigener Prägung, die aktuell auf einem Tonträger mit dem Titel „A Room For You“ eingefangen ist. Die ungeheure Herzlichkeit bei Viola Falbs Absage, erfüllte den Raum mit der gleichen Wärme wie die Musik und unterstrich die überbordende Freude wieder ein Konzert gespielt haben zu können. Und verwies ebenso auf die Wichtigkeit der Initiativkraft des Clubs besonders unter den derzeitigen Lebensumständen. Was wieder einmal erwähnt sein soll: der plastische Sound vom Mischpult, an den Reglern diesmal Norbert Benesch, der die „Raummusik“ noch zusätzlich leuchten ließ. Really, a room to move.