Dec. 6, 2020
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

MI 02. Dezember 2020
Überschallende Laborwerte
CHRIS KRONREIF & SONIC LAB ALLSTARS
Chris Kronreif  (ts, cl), Mario Rom (tp), Peter Herbert (b), Herbert Pirker (dr)

Kunstunis sind in der Jetztzeit vielerorts nicht mehr Belehrungsinstitute sondern kreativitätsbildende Forschungsinstitute. Angesprochen ist hier der Teilbereich Musik, im Speziellen wiederum das Fachgebiet Jazz. Seit Jahren vollzieht sich gleichfalls an diesen Instituten schrittweise ein Generationenwechsel unter den Lehrenden. Auf die Musiker-Generation die den Paradigmenwechsel in der Jazzvermittlung einleitete (stellvertretend seien angeführt Renald Deppe, Wolfgang Puschnig, Christoph Cech, Harry Sokal) folgen nun die davon profitierenden „Erben“, die jenen völlig anderen Geist engagiert pflegen und weiterdenken. Ein Unermüdlicher unter anderen ist sicherlich Chris Kronreif, der am JIM-Institut an der Bruckner-Uni Linz lehrt.

Ebenso wie die drei Kollegen, die das von ihm initiierte Quartett komplettieren. Von denen jeder ebenfalls als ausgesprochen eigenständiger Stilist, mit zudem außerordentlichen technischen Befähigungen, und profilierter Pädagoge gilt. Unter ihnen, sozusagen als Generationen-Bindeglied fungierend, der „Older Jazzman“, mittlerweile Bass-Legende, Peter Herbert. Die Herrschaften schaffen sich ein Bezugssystem zu jetztzeitiger, von einer Rundum-Aufgeschlossenheit getragenen, Jazz-Modernität. Entsprechenden tradierten Codes im Bereich Harmonik/Rhythmik fallen tragende Rollen im Strukturgefüge zu. Jedoch weit entfernt von klischeehaftem Abspulen jener. Mentalitätseigen werden sie aufgeschlüsselt und normativ umformatiert. Mid-Tempo, mit spontanen agogischen Momente spielend, ist das dominierende Zeitmaß der Musik und die komponierten Abschnitte, ausschließlich Originale der Protagonisten, verstrahlen hervorstechende lyrische Qualitäten von Kompetenz. Da wären unter anderen Themen die sich im Unisono oder in verschachtelten, linear-kontrapunktischen Verläufen der Bläser zusammenfinden, taktungebundene, parallel verlaufende Melodieprogressionen, komplexe Kollektivtexturen. Und dann bas(s)ieren Stücke, wie jene von Peter Herbert, auf elektrisierenden Walkin´-Lines, die obendrein durch markante Stops und Drops des Bassisten, in ihrem Spannungsgehalt zur Zerreißprobe mutieren. Dieser Mann ist der ultimative „Basso continuo“ der mit seinem harmonischen Verstehen und autonomer Melodik die Musik sowieso unentwegt befeuert. Nun tritt noch der Rhythmus-Genius Herbert Pirker hinzu. Er modelliert, verfeinert ohne Unterlass das rhythmische Erleben und die Zeitproportionen der Musik. Man muss ihm auch zwischen den Schlägen zuhören. Jedes Detail in seinen Fills, asymmetrischen Akzentsetzungen, atemberaubenden, nie protzenden, Schlagfolgen initiieren motorischen Zündstoff. Herbert und Herbert erfinden mit der ihnen gebotenen Kreativität, Eloquenz und Schubkraft. Up-Tempo trumpft da schon auch mal auf. Bestechend überfliegt die Frontline des „Vier Sterne Laboranten“-Kollektivs die verschiedenen Aggregatzustände. Mario „There Is A Trumpet In My Soul“ Rom weiß mit offenstem Ohr seine Fähigkeiten zu bündeln. Aus balladesker Sinnlichkeit gleitet er in elastische Abfolgen von eigenphrasierten Changes hinüber, die unverhofft in logischen Noise-Collagen, die jeden Winkel der Trompetenwindungen ausloten, eskarpieren. Ein enorm cooler „Heißläufer“. Quasi als ergänzender Kontrast bringt Chris Kronreif die Luftsäulen seiner Hörner in Schwingung. Gebildet um einen warmen, fülligen Ton, und einer Spielauffassung die erquicklich das Lester Young-Idiom mit dem reflexiven Legatoansatz von Warne Marsh in Deckung bringt. Wie heißt es im amerikanischen Jazz-Jargon so treffend: „They are real cats and their playing has inner strength.“  Die Wirkkraft von Unverbrauchtheit trägt auch jeder Takt in sich. Sowie frei übersetzt nach Ellington: „Es meint ein Ding, denn es hat den Swing“. Irrlichternde Fantasten in einer One Mind Experience

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