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DO 14. Januar 2021
Ermöglichte Zweimaligkeit
DIETER GLAWISCHNIG / TANJA FEICHTMAIR
Dieter Glawischnig (p), Tanja Feichtmair (as)
Ohne ihn wäre einiges Wichtiges in den Anfangsjahren am Jazzinstitut Graz nicht realisiert worden. Beispielsweise das Seminar für Jazzpraxis. Anfang der 1970er Jahre war ihm auch die Leitung der Jazzabteilung übertragen. Zudem reüssierte er als Musikwissenschaftler, Komponist und langjähriger Leiter der NDR-Big Band. Mit gebührender internationaler Reputation. Doch per se ist Dieter Glawischnig (Jahrgang 1938) Pianist. Und als solcher hat er mit dem Trio Neighbours einiges an neuem Bewusstsein für eine aufgeklärte Jazzhaltung hierzulande geschaffen. Genauso hat er der globalen Jazzwelt beachtliche Klanggesten eingebrannt. Als motivisch und formal gebundenen Free Jazz hat Glawischnig dereinst das Neighbours-Konzept charakterisiert. Wobei ihm eine ausbalancierte Gemengelage, einerseits inspiriert vom Dichtegrad des Spiels Cecil Taylors, andererseits von der feingliedrigen Transparenz und klangfarblichen Nuanciertheit eines Paul Bley, wichtig ist. Das heute mehr denn je. Er hat aus seiner Kunst noch zwingender die musikalische Essenz herausdestilliert. In sein freies Improvisieren jetzt, fließt ohne jegliche Widersprüchlichkeiten die moderne Jazzhistorie als Ganzes mitein. Das gelingt, weil er in seine ökonomische Stilistik kennzeichnende Parameter daraus eigenverantwortlich und wissend zitiert, andeutet, paraphrasiert. Nicht ohne diese auch einmal kritisch zu beleuchten. Und er versteht sich in ausnehmender Weise darauf Pausen, Auslassungen mit Bedeutung zu füllen und Erwartbares nicht zu spielen. Seine bevorzugten Umfelder in den letzten Jahren sind das Recital und das Zwiegespräch. Zweiteres unterhält er seit längerem mit der Altsaxophonistin Tanja Feichtmair (Jahrgang 1972). Eine umtriebige Musikerin signifikant in der Ausdrucksform, zudem im Vereinsgremium des Jazzateliers Ulrichsberg tätig, die die kompromisslose freie Improvisation, das Klangfarbenspiel pflegt. Eine instabile Stilzuwendung im Jazzkosmos bevorzugt. Ohne Vorgaben, lediglich ein paar Headarrangements dürften zur Hand sein, entfalteten die beiden ihr Netzwerk sperrig-poetischer Diskursstränge. Majestätischen Akkorden folgten eindringliche chromatische Ostinate - hypnotisch rhythmisiert, daraus konnte sich eine kinderliedhafte Melodie befreien, sodann mitgerissen von kurzen, perlenden Läufen, ehe sie in Tremoli in der Basslage abtauchten. Für Momente formierten sich plötzlich feinnervige Cluster. Dazwischen immer wieder jene spannungsintensivierende Zurückhaltung. Darüber verfügt Glawischnig souverän, fand immer wieder neue melodische und harmonische Verströmungen. In tonaler Verbundenheit mit untrüglicher Formkompetenz. Brillant, jedoch nie vordergründig, seine Technik, seine Anschlagkultur. Somit schuf er die ideale Grundierung für seine Partnerin. Sequenzweise Widerhaken, beispielsweise die Andeutung einer schubertschen Kadenz, auswerfend, welche subtilst die spielsüchtige Nervosität, entäußert in fiebrigen 16tel-Tonketten, von Feichtmair einfingen. Die blieb konsequent, zelebrierte einen freitonalen Ideenfundus, gelegentlich Geräuschattacken miteingeschlossen, den sie einer fraktalen, asymmetrischen Rhythmik unterzog. Angesichts des intensiven Interaktionsmodus und der Magnetik von Glawischnigs musikalischen Intensionen entkam die Saxophonistin jedoch ebenso wenig den introspektiven Momenten wie der konkreten Melodik, die ihr Spiel anreicherten. Ein Diskurs voll der Spiegelungen und Verflechtungen, aktionistischer Unruhe und entschleunigter Sophistication. Da fällt eine bedeutsame Definition Strawinskys ins Gewicht, die dem Musikerfinden des Duos zuschreiben wäre: „Im wahrhaftigen Zustand ist die Musik ein freies Forschen des Geistes“.