March 15, 2021
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

DO  11. März 2021
Melodie und Rhythmus
TINEKE POSTMA & FLORIAN ARBENZ
Tineke Postma (ss, as), Florian Arbenz (dr, perc)

Zu reisen bedeutet nach wie vor, dass Selbiges nur unter nicht gerade einladenden, mit einigem Mehraufwand verbundenen Bedingungen stattfinden kann. Doch wenn das Porgy & Bess ruft, der Club der ja in der Jazzwelt grund seiner von Anbeginn der Pandemie an täglichen live gestreamten Konzerte eine Vorreiter-Sonderstellung einnimmt, nehmen z.B. Musikerinnen und Musiker die Hürden liebend gerne auf sich, sofern es ökonomisch nicht gänzlich unrealistisch erscheint, um hierorts gastieren zu können. Es geht um die Musik die in den ProtagonistInnen brennt, die gespielt werden will, muss. Nach der sich die Hörerschaft seht, und sei es auch nur, wie eben derzeit, um via digitaler Empfangsgeräte aufgenommen werden zu können. Jener Gelegenheit, Musiker sind a priori Reisende, gaben sich auch die holländische Saxophonistin und der Schweizer Schlagzeuger hin. Um in der intimsten Kommunikationsform ihr musikalisches Kreationsreservoire ausreizen zu können. Das Duo-Spiel(in allen denkbaren Instrumentenkombinationen) wurzelt tief in der Jazztradition, fand dort Einzug durch das Aufgreifen von dahingehenden Tendenzen der Romantik. Jedoch die Konstellation Saxophon-Schlagzeug steht mit der rigorosen formalen, klanglichen Öffnung der Jazzentwicklung der 1960er Jahre in Verbindung. Der besondere Reiz lag/liegt nach wie vor in der Multiplikation der rhythmischen Komponente sowie den klangfarblichen Fassetten der Schlaginstrumente, die mit dem Klangvorrat und den melodierhythmischen Möglichkeiten eines Saxophones in Bezug treten. Hinzu kam noch die immer ausgiebiger werdende Hinwendung der Jazzschlagzeugerinnen/ -schlagzeuger zu Rhythmen und Instrumenten ethnischer Kulturen mit einer reichen Rhythmustradition.  Und da wäre noch, so betonte Arbenz einleitend, die Unabhängigkeit von Harmoniestrukturen, die eine ungleich freiere Auslegung des Interaktionsprozesses zur Folge hat. Eine intuitive Chemie, das simultane Verstehen, das freie improvisatorische Phantasieren, kennzeichnete das Zwiegespräch dieser vorzüglichen MusikerInnen. Mit ihren Instrumenten virtuos verbunden. Arbenz hat sein Instrumentarium um eine Vielzahl von Percussioninstrumenten aus aller Herren Länder, u.a. Czymbalon, Kalimba, Gong, Musikbogen etc., erweitert, die ihm zusätzlich melodische Möglichkeiten eingedenk seines abgestimmten Drum-Set in die Hand geben. Durch zusätzliche Präparation seines Instrumentariums vervielfachte er die Klangfarbenpalette. Nuancierter Bedachtsamkeit folgend, breitete Arbenz ein Flechtwerk unterschiedlicher Rhythmusanordnungen, in teils unorthodoxen Takten aus. Rhythmische „Polytechniken“ formierten sich ständig neu, „in time“ ebenso „time less“. Außerordentliche Flexibilität und Differenziertheit schlugen an. Durch einerseits starke ethnomusikalische Bezüge, anderseits aus dem Jazzidiom heraus das Eigene betreibend, charakterisiert sich sein Spiel. Unentwegt schlenzte Arbenz „catchy“ Grooves, fundamentalrhythmische Umspielungen, Aufsplitterungen, durchsetzt mit melodischem Feingefühl, in den Raum. Reaktionsschnell nahm Postma die motorischen Pattern auf, übersetzte sie mit raffinierter Melodieführung, trieb sie weiter. Anhand von Arpeggienfolgen durch den kompletten Tonumfang ihrer Instrumente. Gebündelt zu thematischen Skizzen und in einen „legato“-Modus integriert. In Phrasierung, Artikulation und Intonation pflegt die Saxophonistin eine deutlich europäisch fundierte Klangsprache/ -ästhetik. Dennoch der Jazzparameter „swing“ fädelt ihr Spiel auf. Mit schlankem Ton verfasst sie den umfangreichen melodischen Fundus, der zuweilen verschwenderisch ausfiel, und die rückwirkenden, „ausschlagenden“ Melodiemotive Arbenz´ anstachelte. Solcherart Ineinandergreifen entpuppte sich als quellender spontaner Ideenpool, der permanent großartige, freie Off-Beat Momente auslöste. Festgelegte Aktionsformen sprich Unisono-Passagen, kurzgefasste Themen – u.a. als hinreißende, entschlackt quirlige Version Ornette Colemans „Race Face“ - fungierten zudem als dramaturgische Eckpunkte. Dialog der irisierenden Zwischentöne und variablen kinetischen Energie.