June 9, 2021
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

MO  31. Mai 2021
Refictioning The Story
FALB FICTION
Viola Falb (ss, as), Philipp Nykrin (p), Raphael Preuschl (e-b), Herbert Pirker (dr)

All die teils nicht unbedingt geschmackssicheren Eröffnungsinszenierungen nach dem Lockdown-Parcours haben wir aufatmenderweise hinter uns. Ein Jazz&Music Club beispielsweise, der von Anbeginn der Pandemie an konsequent und situationsentsprechend seine Aufgabe der, wie es tituliert wurde, „Musikversorgung“ wahrnahm, freut sich einfach, allerdings nach wie vor unter Beschränkungsauflagen, wieder Menschen in seinem Refugium begrüßen zu dürfen.

Auch das Quartett Falb Fiction, Kreativvehikel der Saxophonistin Viola Falb, hielt ihre Freude darüber nicht hintan und schüttete ebenso musikalisch sein Herz und seine Seele aus.

Die Premiere einer Reunion war dieser Abend, liegen doch die Aktivitäten des Kollektivs längst schon eine Dekade zurück. Laut Band-CEO wären für das nächste Kapitel neue Stücke angedacht gewesen, referierte sie vorab. Doch nach durchhören der drei bisher veröffentlichten Tonträger schlussfolgerte Falb, dass die darauf enthaltenen Stücke noch soviel hergeben, um sie einer Neuausleuchtung unterziehen zu können. In die engere Auswahl kamen Songs wie beispielsweise „New York Adventure“, „Hitze-Koller“. „No Man´s Land“ oder „Devil´s Dance“. Piecen die von Haus aus, was ihre festgelegte Materialistik betrifft, eine hervorstechende eigene Handschrift tragen. Ausladende, ausgereifte melodische Entwicklungen zum einen und rhythmisch verschachtelte, einer ungezwungenen Intension folgende Tragwerke zum anderen, symptomatisieren deren Wesenskern. Entsprechende Erfahrungsschätze später, die auf das Phänomen des permanenten Transformationsprozesses in der Musik verweisen, klingt diese folgerichtig gereifter, an Gültigkeit gewachsen. Und weiters, das Gedeihen im Moment, also die improvisatorische Anreicherung, kollektiv wie monaural betrachtet, erlangt völlig neue Güte. Viola Falb ließ ihrer melodischen Erfindungsgabe noch ungehemmter freien Lauf, ließ bemerkenswertes Geschick im Durchwandern von Skalen aufgehen. Mit Intonation, Artikulation, Phrasierung, die unüberhörbar die ihren sind. Ist sie auf dem Sopran quecksilbriger und drängender, so gestaltet sie auf dem Alt kantabler und motivischer. Modal verwurzelt, von Klischees befreit. Letzteres steht gleichfalls als Neigung und Zugang ihren inspirierten Partnern zupass. Wenn dann Nykrin eine harmoniedurchflutete Kathedrale um die Stücke errichtete, das außerordentliche Vermögen ausspielend, Sparsamkeit und Effizienz gleichermaßen walten zu lassen. Ungeachtet dessen ob er mit energietrunkenen Blockakkord-Progressionen, flinken melodischen Melismen oder z.B. eleganten an John Lewis erinnernden harmonischen Modern Jazz-Wendungen zu Gange war. Rhythmisch wiederum blieben bei dem phänomenalen Gespann sowieso keine Fragen offen. Preuschl zeigte am fünfsaitigen E-Bass multiple Möglichkeiten auf. Einmal in melodischer Kontrapunktik, dann harmonischer Potenzierung oder Groove-Verdichtung. Souverän variierte er zwischen Walking-Lines und Akkordspiel. Die kinetische Power-Station wiederum in Person von Herbert Pirker. Kaum einer kann komplexe rhythmische Verarbeitungen so einfach, in ihrer Logik erkenntlich und ausschwingend klingen lassen - im Schritttempo oder auf Touren. Komplementär-, Kreuzrhythmen, vertrackte Rhythmus-Pattern wirbelten durcheinander. Allererstens das Jazz-Idiom umarmend. Aber die Bestückung seines Spiels mit Post-Rock Zutaten liegt dem Drummer ebenfalls nahe. Von ausgewiesener Suffizienz getragen. Den Beat als Antriebswelle hatte Pirker dabei unentwegt im Fokus. Deutlichst betonten zudem die ausgefeilten Arrangements nunmehr das Spielerische der Gruppendynamik. Somit war der Materialhandhabe größtmögliche Freiheit gegeben – Ebbe und Flut. Vier begnadete Persönlichkeiten die neuerlich einen zukunftsgerichteten, bestandsfesten Phon-Abdruck einprägten. Was für eine lodernde Vorstellungskraft und intensive Kommunikationsbasis mit den Zuhörenden das Quartett doch übertrug. Packende Jazz Fiction – Yesternow.