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SA 18.Juni 2022
“Mehrwert” in Jazz
BUSTER WILLIAMS QUARTET “SOMETHING MORE”
Buster Williams (b), Steve Wilson (as, ss), George Colligan (p), Lenny White (dr)
Wenn man Bassisten nennen möchte, die, keineswegs übertrieben, mit dem „Who is Who“ der Jazz Moderne kooperiert haben, kommen vor allem zwei Persönlichkeiten in Betracht. Ron Carter zum einen bzw. Charles Anthony „Buster“ Williams zum anderen. Beide noch unermüdlich aktiv und, wie eh, von kreativem Schauer durchflutet. Mit wem aller Letzterer ebenso auch fulminante Rhythmuseinheiten bildete: Roy Haynes, Art Blakey, Tony Williams, Ben Riley und, und, und. Mit dem Quartett mit dem Buster Williams derzeit wieder tourt, betreibt der Bassist gleichwohl eine lange, intensive Erkundungsreise im Territorium des „straight forward“- Jazz. Lediglich am Schlagzeughocker nimmt aktuell, anstelle von Kush Abadey, Legende Lenny White Platz – immer noch ein rhythmischer Feinmechaniker. Sofort zog das Quartett up tempo-mäßig ordentlich vom Leder. Rhythmische Wendigkeit, melodischer „Juckreiz“ posierte Dank des Energieverbundes von Williams und White. Spannungsmäßig hochgradig waren die daraus folgenden Off-Beat-Raffinessen und Akzentkomplexitäten. Zehn Zentimeter über dem Boden dahinschwebend. Der Pianist suchte/fand in einer aufgeschlossenen traditionellen Verankerung seine eigenen harmonischen Wege. Ließ auch in seinen Soli Waghalsigkeit einfließen. Das kantette genauso melodisch ziemlich aufregend. Übte sich Steve Wilson im ersten Drittel des Konzertes solistisch noch ziemlich in Zurückhaltung, melodieverlaufend wie im formalen Aufbau, durchkämmte er mit Fortdauer immer gelöster den weiten Aktionsbereich der Skalen und ließ die Blue Notes nur so sprießen. Brennpunkt war klarer Weise, in der Ausstrahlung bravouröser Souveränität, das beständig swingende, rhythmisch flexible, sensibel agierende/reagierende Spiel des Bandleaders. Fließender, voluminöser Tongehalt eingeschrieben. Gefinkelte Drops steigerten permanent die rhythmische Variabilität. Und Williams´ Triolenspiel verlieh, in Korrespondenz mit jenem von Lenny White, der Musik ein besonderes Oszillationsverhalten. Solistisch spielte der Bassist mit überlegener Gelassenheit sein melodischen Einfallsreichtum aus. Nur dem Substanzgehalt der Musik, seiner Jazz-Diktion im Wort. Grundlegendes Ansinnen, so wurde deutlich, ist Williams jedoch die kollektive Energie, der gemeinsame Findungsprozess. Der Interaktion war ausnehmende Güte und Geschlossenheit anhängig. Williams´ Jazzschaffen ist im Derivat des Jazz-Klassizismus verwurzelt. Sein Weg der Verschränkung von Bop-Elementarem und konventioneller Tonalität bzw. moderaterer Modalität vollzieht sich keineswegs nachahmend sondern kreativ gestaltend ausgewählt. Des Bassisten Partner sind mit ihm uneingeschränkt d´accord. Daraus entspringt ein originärer Bandsound. Die Improvisationen mündeten, voll der changesmäßigen, lickhaften Eigenheiten, in stimmige Strukturfindungen. Ebenso bedacht darauf Funktionsharmonien auszuweiten, sie in teils komplementären Bereichen anzusiedeln. Wodurch gewisse Dissonanzreibungen Frischwasser injizierten, aber genauso belebende klangfarbliche und –qualitative Kontraste nach sich zogen. Basis waren Williams-Originale wie „Christine“ oder „In The Middle Of A Rainbow“, das ihn auch zu beherztem Croonen hinriss, worin sich auch seine Fertigkeiten als Komponist spiegelten, oder in dem einen oder anderen Standard. Monks „Epistrophy“ funktionierte exzellent. Was für eine Energie, ein Ideenaustausch, ein Flow daraus folgte. So wird Jazz-Tradition zu jenem Erbe, das Geschichte zum Fundament für die Gegenwart macht und Zusammenhänge bzw. Alternativen und individuelles Können ins relevante Verhältnis zu bereits Gespieltem stellt. Ergo: Jazz als Frage der Haltung. Die darin gehörte Flexibilität im künstlerischen Denken und Handeln der Musiker dieses wunderbaren Quartetts war bemerkenswert und zeugt von erheblichen empathischen Fähigkeiten. Klingt nach viel mehr.