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DI 21.Februar 2023
Let Freedom Ring
JOHANNES ENDERS “Sweet Freedom – A Tribute To Sonny Rollins”
Johannes Enders (ts), Henning Sieverts (b), Jorge Rossy (dr)
Der Erdball am Rande des klimatischen Kollaps, zerfurcht von humaner und sozialer Rezession bzw. Repression, das muss den Freiheitsdurst, den Ruf nach Achtsamkeit, Respekt und Menschenrechten noch unstillbarer bzw. um vieles brüllender werden lassen. Für die afro-amerikanische Bevölkerung ist das Einfordern ihre Freiheit und Rechte aus soziokulturellen Gründen längstens, ein leider bis heute währender, unerlässlicher Akt.
Afroamerikanische Jazzmusiker formulieren den Aufschrei gegen Segregation, für Bürgerrechte mit Tönen und Worten seit Mitte des vorigen Jahrhunderts. Mit zu den ersten gehörte „Saxophon-Koloss“ Sonny Rollins. Mit seinem unmissverständlichen musikalischen Statement „Freedom Suite“. Mit folgenden Worten auf dem Cover unterstreichend: „Amerika ist tief in der Kultur der Schwarzen verwurzelt: in ihren Redewendungen, ihrem Humor, ihrer Musik. Wie ironisch also, dass der Schwarze, der mehr als jeder andere Amerikas Kultur für sich reklamieren kann, verfolgt und unterdrückt wird, dass der Schwarze der durch sein bloßes Dasein ein Beispiel für Menschlichkeit gegeben hat, dafür mit Unmenschlichkeit belohnt wird.“
Nicht zuletzt angesichts des bedenklichen globalen Status Quo kann die Hommage an Rollins auf Grundlage dessen hier im Zentrum stehender, epochaler Einspielung „Freedom Suite“ auch als Ansinnen, des nicht minder gewichtigen Tenormeisters Johannes Enders betreffend Freiheit wieder einmal ordentlich auf den Busch zu klopfen, verstanden werden. Vorrangiges Bedürfnis des deutschen Saxophonisten ist es natürlich, die immense Bedeutung Rollins´ für die Jazzentwicklung ab der zweiten Hälfte des letzten Säkulums mit höchster Wertschätzung hervorzuspielen. Im Besonderen in Bezug auf die Besetzung Saxophon-Bass-Schlagzeug. Ob Rollins diese Besetzung erfunden hat, ist historisch nicht dezidiert belegbar. Jedoch hat er sie völlig neu definiert. Indem er die akkordinstrumentelose Konstellation, von Pianisten fühlte sich Rollins oftmals eingeengt, als Befreiungsakt wertend, zu ausgedehnten solistischen Erkundungen nutzte. Gleichzeitig ebenso die rhythmischen/harmonischen Möglichkeiten enorm weitete. Und Rollins vollzog einen weiteren Schritt Richtung offenerer Ensemble-Interaktion. Bis heute gültige Maßstäbe. Für Enders ist neben Wayne Shorter vor allem Rollins die Inspirationsquelle. Daran reifte sein robuster, vollmundiger Ton, sein gelenkiges Spiel. Mit brillanter Technik hochstehend kultiviert. Auch Enders fühlt sich in dem Trio-Format enorm befreit. Die Musik breitet sich unbeschwert losgelassen, modal vermessen, aus. Die beiden Könner Sieverts und Rossy sind ihm hierfür ideale Partner. Aus einer Gemengelage von Rollins Originalen(u.a. Airegin, Doxy) und Eigenschöpfungen Enders´, teils als Paraphrasen von Rollins-Themen(Sweet Freedom) angelegt, speist sich dieses Würdigungsprogramm. Ebenso originell gestaltet Enders die Rollins-typischen, thematisch gebauten Improvisationen, leitet sie jedoch kontinuierlich zu rasanten Melodiebändern mit retardierendem Rhythmusverlauf um. Auch der ausgesprochen rhythmischen Akzentuierung Rollins trägt er geschickt in eigenem Verständnis Rechnung. Und das liegt ihm sehr, hat doch Enders immer wieder betont, dass sein Spiel stark auf das Schlagzeug bezogen ist. Und an diesem kommuniziert mit Rossy ein großer seiner Zunft. Grund seiner offenen Spielweise und der Konzentration auf die melodischen, klanglichen Aspekte eines Drum-Sets deklariert sich Rossy als leidenschaftlicher „Motianer“. Feinnervige Reaktionsfähigkeit, die spannungsintensive Verschleierung des Beat, klangfarbliche Diversität, der unterschwellige Drive, forciert die improvisatorische Bewegungsfreiheit die das Trio in seinen egalitären Diskursen zwingend auskostet. Bassist Sieverts krönt mit seinen melodischen und rhythmischen Qualitäten(kontrapunktische Stränge oder Off-Beat Kleinode) die von bedeutungsvollen Aussparungen geprägten Texturen hier, den unbändig verschlungenen Swing dort. Die Message: Der Jazz wird sich seine Freiheit bewahren, die primäre Entäußerung im Moment. Sonny Rollins war(er hat sich mittlerweile aktiv-musikalisch zur Ruhe gesetzt) einer der ganz großen Rufer und Aktivisten in diesem Zusammenhang. Eines seiner Leitmotive: „Im gesamten Prozess der Improvisation geht es darum, die bewusste Welt – die Welt der alltäglichen Normalität und Pflichten – zu verlassen und die Wahrheit zu finden.“ Eindringlich auf den Pfaden des Giganten wandernd, dringt dieses fulminante Trio zum Wesentlichen vor. Also, der Traum von der Freiheit ist niemals ausgeträumt.