March 30, 2023
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

SA 18. März 2023
Mary, Mary so contrary!
MARY HALVORSON AMARYLLIS SEXTET
Mary Halvorson (g), Adam O´Farrill (tp), Jacob Garchik (tb), Patricia Brennan (vibraphone), Nick Dunston (b), Thomas Fujiwara (dr)

Sie ist derzeit in aller Jazzkritiker/Jazzaficionados Munde. Und ihr Tonträger-Output ist mittlerweile auch guinnessbuchverdächtig. Mary Halvorson jüngster diesbezüglicher Doppelschlag beinhaltet zum einen das „Belladonna“-Projekt, eine Kooperation der Gitarristin mit dem Mivos Streichquartett, und zum anderen das „Amaryllis“ getaufte Sextett - in ungewöhnlicher Besetzung. Mit diesem ist sie derzeit auf Tour. Inhaltlicher Ansatz Halvorsons ist hier ebenfalls das Ineinanderaufgehen von kompositorischer Bindung und extemporierter Weiterführung. Wobei die Erkundungen klangfarblicher Möglichkeiten einen wesentlichen Aspekt darstellen. Da leuchteten ihre intensiven Studien und Kooperationen mit „Universalmusiker“ Anthony Braxton durch. Jedoch sind diesmal die strukturellen Intensionen die sie dem Improvisationsvermögen ihrer PartnerInnen zur Verfügung stellt durchwachsen. Miteinbezogen hat Halverson Praktiken der Jazz Moderne, kammermusikalische Gepflogenheiten, partielle interferierende Klangexplorationen, periodische Jazzrhythmik mit rudimentärem Rock-Touch. Primär steckt jedoch ein relativ konventioneller Bauplan der Kontrapunktik, des Orgelpunktes, modaler Polyphonie und von Quintenzirkelkonstruktionen dahinter. Über weite Strecken greift Sittsamkeit Platz und ein Elegie-Modus beansprucht Dominanz. Dem auf den Fuß folgte eine gewisse Zähflüssigkeit und es fehlt den Kompositionen die strukturoppositionelle Ebene. Da lösten auch Halvorsons gelegentliche „out-tuned“ Akkorde und abstrakte Soundpixel nichts aus. Die sich zudem solistisch sehr zurück hielt. Lediglich in einer freien Duo-Sequenz mit der Vibraphonistin Patricia Brennan trat ihre Brillanz als Improvisatorin hervor. Apropos Vibraphonistin: die war schlichtweg grandios. Nicht nur, dass sie den Partituren nötige Elastizität und Dringlichkeit zuteil werden ließ, war sie auch als Solistin, unter absoluter Beherrschung des Instrumentes, ein überragender Fantasiequell. Harmonische Vernetzungen gingen in ihrem Spiel mit großer innerer Logik in einen rauschenden, melodischen Fluss über. Rhythmisch scharfkantig akzentuiert. Und in enger Verschränkung mit dem beeindruckenden Bassisten Nick Dunston, der sein wendiges, präzises Spiel auf einem muskulösen Ton gründet, verpasste Brennan der Musik rhythmische Statur von wesentlichem Gehalt. Dem Schlagzeuger fehlte es nämlich dahingehend an Initiative. Er nützte vornehmlich die Soli um seine Versiertheit überborden zu lassen. Den beiden Bläsern hörte man unumwunden ihre Fähigkeiten an, ließen diese aber nicht richtig von der Leine. Das Jazzidiom wurde von ihnen zu routiniert gepflegt.  Insofern interessant weil Halvorson eine polychrome Klangdenkerin und-finderin ist. Wozu ihre Musik alle Beteiligten dahingehend anzuregen trachtet. Jedoch die Amaryllis ist längstens noch nicht am verblühen. Mary  Halvorson hat genügend Humus in ihrem Köcher den sie hinkünftig noch gezielter anwenden wird.