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SA 23. September 2023
Groß(s)ta(d)t-Predigt
WEDNESDAY NIGHT PRAYER ORCHESTRA
Ludwig Bekic, Robert Schröck, Jakob Gnigler, Christian Gonsior, Monika Geyer (reeds),
Markus Pechmann, Walter Fend, Thomas Berghammer, Lukas Hartl (tp), Phil Yaeger, Karel Eriksson, Mario Vavti, Christina Lachberger (tb), Stephanie Weninger (p), Helene Glüxam (b), Lukas Aichinger (dr)
Der Jazz-Humus hierzulande ist gleichfalls für großformatige Kollektive ein ziemlicher Begünstiger. Da wurde mit Beginn der 1970er Jahre „Nahrhaftestes“ gesät. Jüngster Wuchs ist hier angesprochene Formation die sich zu Beginn dieses Jahres zusammenfand. Mastermind dahinter ist der Wiener Saxophonist Ludwig Bekic. In den 1990er/00er Jahren eine illustre Stimme an der Schnittstelle Improvisierte Musik/Experimentalelektronik (im Trio mit Christian Weber und Gerhard Hermann oder dem Projekt „Superlooper“). Danach wechselte er das Tätigkeitsmetier um mit großer Leidenschaft in den Kosmos Jazz zurück zukehren. Mit einer Idee im großen Stil – der einer Big Band. Bezeichnet als Orchestra und benannt nach dem epochalen Mingus-Stück „Wednesday Night Prayer Meeting“. Handverlesen, in klassischem Big Band Sinne besetzt, zusammengestellt aus jazzaficionadösen österreichischen MusikerInnen dreier Altersklassen. Fast von Beginn weg fand die Formation die Gelegenheit einmal in der Woche, jeweils mittwochs, in einem kleinen Wiener Pub aufzuspielen, was konsequent realisiert wurde und weiterhin wird. Demzufolge wuchs die Equipe in kurzer Zeit zusammen und gebar einen kernigen, voluminösen Bandsound, der zudem deutliche Eigenheiten aufweist. Konzeptionelle Basis ist die Big Band-Literatur bzw. das Klangbild von dessen Anfängen bis zur avancierten Jazz Moderne. Revitalisiert in eigenen Arrangements und persönlichen Voicings. Erfrischend werden so ursprüngliche Funktionsharmonien mit instrumentalen Darstellungen und Ausschmückungen umgemünzt und erweitert. Zudem in sehr findiger und fingerspitzengefühliger Weise tradierte mit offenen Strukturformen, freien Improvisationsereignissen verschachtelt. Kontrapunktisch oder antiphonisch raffiniert über die Bläsersections verteilt oder auch als Call & Response mit den SolistInnen. Vorrangig verantwortlich zeichnet einstweilen noch Bekic. Der seinerseits eine ausladende Komposition „Look, See, Love, Know“ zum diesabendlichen Programm beisteuerte. Ein labyrinthisch angelegtes Stück, das er selbst mit einem elaborierten, unbegleiteten Altsax-Solo einleitete und das dieses fast zahnradmäßige Funktionieren des Ensembles auch entlang einer komplizierten Partitur mit doch einigermaßen abenteuerlichen Verzweigungen, Alterationen, Rhythmusbrechungen hervorhob. Ansonsten berief sich die tönende Predigt auf Standards und Originalkompositionen/Arrangements großer Big Band-KomponistInnen. So beispielsweise Carla Bley, Thad Jones, Toshiko Akiyoshi, Gil Evans, Ellington, Basie und klarerweise Charles Mingus. Ihm widmete das Orchester Neufassungen seiner Stücke „Moanin´“ und „Wednesday Night Prayer Meeting“ deren ekstatischem Output die Truppe dichtest auf den Fersen war. Außerdem, wie lässig die MusikerInnen durch die Partituren swingten und flanierten. In herrlichen Tutti-Passagen, Stimmverschneidungen, Gegenläufigkeiten, Klangfarbenexplorationen. Mit den Vorzügen: Präzision im Satzspiel und Genauigkeit im spontanen Interplay. Detto brannte die Kunst des Augenblicks in den Soli eine(r)s jeden vor Inspiration und Obsession. Einige empfohlen sich ganz besonders: Bassistin Helene Glüxam, famos mit monolithischer Standfeste, wie irisierenden Melismen, Pianistin Stephanie Weninger, die souverän harmonische Vernetzungen spinnt, aber auch improvisatorisch Beglückendes zu erzählen weiß, Christian Gonsior, der sich in der großen afro-amerikanischen Tenortradition wohlfühlt und daraus seinen Tiefgang speist, inbrünstig dem reinen Klangspiel nachspürend in persönlicher Sphärik Jakob Gnigler, melodiestrotzend mit dramaturgischem Spürsinn Altist Robert Schröck, Thomas Berghammer, der jegliche Windung seines Instrumentes auszuloten imstande ist – strahlendes Lineament, noisige Pointilismen, sangbare, blitzende Tiraden Zug um Zug von Phil Yaeger und Senior Walter Fend, der unerschütterliche Rufer vom Berg.
Eine heißhungrige, „klassische“ Jazz Big Band die das große Erbe zwischen Neotraditionalismus und Vabanquespiel ausdifferenziert. Und immer weiter fließt der Strom der großen Big Band-Historie. Ganz feiner Samstagabend der Mittwoch-Spezialisten.
Weiterhin wird das Kollektiv seine „Sound-Predigten“ fast jeden Mittwoch im Lokal „Little Stage“ zelebrieren. Nähere Informationen unter: wednesdaynightprayerorchestra.com