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Rigorose Strategie klanglicher Lustbarkeit
JOHN ZORN & New Masada Quartet
John Zorn (as, prompter), Julian Lage (e-g), Jorge Roeder (b), Kenny Wollesen (dr)
Im Vorjahr als Jubiläums Special angelegt, sprich 30 Jahre Porgy & Bess, 70 Jahre John Zorn, machte eine Erkrankung des Protagonisten eine Verschiebung auf heuer notwendig. Sodann, Zorn splittete das Konzert in zwei Teile auf. Mit Beginn 19.30 bzw. 22.00. Analog zum klassischen Masada Quartett treibt er mit dessen neuer Version ebenso sein Wesen in der Jazzsphäre. Zorn durchwühlt mit allem gebotenen Respekt die Jazz-Moderne aber primär bleibt es auch hier bei der scharfkantigen Transformation der Errungenschaften des legendären Ornette Coleman Quartet. In der Wahrnehmung der Gegenwart und der eigenexpliziten Deutung. Süffige Bassostinate sprossen nur so hervor, gepusht von polyrhythmischen Vertracktheiten. Über diesem vibrierenden Nährboden, verstreuten Saxophon und Gitarre chromatisch gefärbte, modal getriggerte Themen, ausgefuchste Polyphonien und letztlich solistischen Sternenstaub, konventionell ausgelegt und gleichlautend der Steilwand-Noise zugeneigt. Seine signifikante cut-and-paste-Technik mit den wahnwitzig schnellen Wechseln im Minutentakt wendet Zorn hier nur im entschleunigten Modus an. Harmonischen, melodischen Progressionen und improvisatorischen Ausdeutungen ist im Vergleich viel Zeit gegeben. Tempomäßig wird dennoch nicht getrödelt. Folglich konnten der einem Phänomen gleichende Bassist Roeder und ein so und so unfassbarer Wollesen (auch bei ihrem solistischen Kundtun stand einem der Mund offen) die rhythmische Kunstfertigkeit der zornschen Kompositionen in aller gewünschten Nuanciertheit ausbreiten.
Kontrapunktischem Raffinement, mit welchem Zorn sich sowieso gerne lustvoll und gewieft austobt, bleibt die urbane Rasanz, die filmschnitthafte Wendigkeit unumwunden erhalten. So ließ er etwa bopige Verlaufsmuster, teils paraphrasiert bzw. ohne stilreine Wege durch die harmonischen Abfolgen, im Moment in ein bleiernes Hard Rock-Riff kippen, aus dem ebenso unverhofft eine kribblige Noise-Collage hervorbrach. Weiters gab Zorn mit seinem ausgeklügelten Handzeichensystem spontan Anstöße zu wechselnden Instrumentenkombinationen, demzufolge die Farbigkeit, der Dichtegrad der Musik chamäleonhaft wechselte. All das trug sich zudem in einem famosen, reaktionsschnellen Interplay, jenseits des für möglich gehaltenen, zu. Wäre somit noch auf die solistischen Extravaganzen von Zorn und Lage zu sprechen zu kommen. Während Ersterer sein mit den Signifikanzen schneidender Ton, frickelige Phrasierung und unbändige Triebsamkeit ausgezeichnetem Spiel in eine Brillanz wie schon lange nicht führte, ließ Zweiterer an seiner Stellung als der prägende Gitarrist der Jetztzeit keine Zweifel aufkommen. Eloquent assimiliert er in Eigenregie in seinen Momentkaskaden Modern Jazz-Eleganz im Zusammenwirken mit rockidiomatischer Bissigkeit. Hiermit ist er ein ziemlicher Idealfall für diesen zornschen Werkkanon. Erhebend kam noch hinzu, mit welch überbordender Spiellust und Beglücktheit die Clique das „action sounding“ in den Äther schleuderte.
Zorns musikalischem Schaffen kann man nur im Plural begegnen. In seinem Kosmos prallen Stilschattierungen nicht effektheischend aufeinander, sondern existieren als Pandämonium der Verfügbarkeiten. Frei dirigiert, frei improvisiert, rudimentär kompositorisch fixiert.
In der durchwirkenden rabiaten Sinnlichkeit, der poetischen Räudigkeit liegt der solitäre Reiz dieser Klangkunst. Ein Abend vom Status der Unvergesslichkeit, den Zorn mit dem Nachsatz, dass das Porgy & Bess der einzige europäische Club ist, dem er seine Aufwartung mache, krönte.