May 11, 2017
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

MI 10. Mai 2017
Behutsame Flügelschläge
GERI ALLEN & ENRICO RAVA
Geri Allen (p), Enrico Rava (flh)

Oftmalig hatte sich eine derartige Instrumentenkombination in der Intimität der Duo-Kunst noch nicht zusammengefunden. Begegnen und finden sich zwei derart charismatische Persönlichkeiten und hochgradige IndividualstilistInnen die an den Zellkern der Musik vordringen und die Klänge in ihrer ursächlichen Synergie aus der Taufe heben, erlangt der musikalische Impuls Authentizität und Dringlichkeit in relevantem Ausmaß. Von dieser Aura umgarnt war das feingesponnene Dialogfeld dem sich Geri Allen und Enrico Rava, zwei exzellente Lichtgestalten einer zeitlosen Jazzkultur, hingaben. Sie am über Tasten anzusprechenden Flügel, er am Luftströme abhängigen Flügelhorn. In völliger Unaufgeregtheit und beindruckender Überlegenheit erbauten sich beide an einem Zwiegespräch kontemplativer Intensität. Die Klänge, Töne bekamen Zeit zum Atmen und weiteten den Raum. Geri Allen ließ die Klangfülle des Flügels auf einzigartige Weise erblühen. Mit unkonventionellen Akkordzerlegungen, mit thematischen Auflösungen, deren Teile sie individuellst restrukturierte und in aufregend neuen Progressionen weiterspann. Dem folgten weitere Großtaten in der Form, wie sinngestaltend sie ihre Improvisationen, die zumeist um ein tonales Zentrum kreisten, in dem diese sich aber genüsslich ausdehnen konnten, aus dem definierten Themenmaterial entwickelte. Sie übergab die Improvisationen der Ewigkeit. Auf der anderen Seite durchflutete sie Melodienreigen, ob spontan evoziert oder vorgedacht, mit unverkennbar eigenwilligen Rhythmustexturen. Nichts hatte beschönigenden oder effektheischenden Ballast. Hier pochte das Herz purer Musik, die der Jazz-Ursuppe entstieg. Ob ausgehend von Originalkompositionen der beiden Protagonistinnen oder in Fremdwerken von Monk, Waller oder Miles. Diese eindrucksvolle Kunstfertigkeit legte die Fährten für Ravas nach wie vor phantasievollen Melos, dem eine zu tiefst ergreifende Narrativität innewohnt.  Rava, der aus allen Ausdruckseigenheiten des Jazz seit der  BeBop Ära seine ganz persönliche Grammatik, Intonation, Phrasierung destilliert hat und seinen Ton über eine poetische Passion definiert, legte Erzählstränge aus, die sich gleichermaßen an motivischen Komponente als auch assoziativen Tongirlanden delektierten. Es liegt in der Natur der Sache, dass sein Ansatz in den Höhen nicht mehr diese Brillanz ausweisen kann, faszinierend war jedoch wie er diese Brüchigkeit in ein Souverän ummünzte und „Improvisationen des Wesentlichen“ entwarf. Eine Erstbegegnung zwei musikalischer FeinmechanikerInnen von einer Reife und Tiefe, die nur auf Grundlage größten Respekts und im grenzgenialen Aufgehen in der Spontanität diese Güte erlangen kann. Große Gefühle.