Joy Denalane 'Let Yourself Be Loved Live 2021' (D)
Verschoben !
Statement des Veranstalters: Die Veranstaltung JOY DENALANE im Porgy & Bess wird auf 13. Februar 2022 verschoben. Karten behalten ihre Gültigkeit, können aber auch gegen einen Gutschein retourniert werden.
Neuer Termin: https://porgy.at/events/10667/
Zum ersten Mal singt Joy Denalane auf Englisch: Dem Vintage-Sound ihres neuen Albums „Let Yourself Be Loved“ hört man auch an, dass es in der ehemaligen Disco-Metropole aufgenommen wurde.
Es mag nicht mehr wahnsinnig viel bedeuten, wenn eine deutsche Soulsängerin ein Album auf Motown herausbringt. Das berühmte Detroiter Soul-Label, das sich bekanntlich in seiner Produktionsweise an den Fließbändern der Automobilindustrie orientierte, gehört ja seit 1988 nicht mehr seinem Gründer Berry Gordy. Seit damals ist es Teil des Konzerns Universal, wo man sich als Musiker die illustre Marke aussuchen kann, die jeweils zu einem passt. Egal, ob Motown, Mercury, Cadet Concept oder Polydor, all diese Sublabels versprechen vor allem Retrochic.
Joy Denalanes Album „Let Yourself Be Loved“ kann aber mehr – obwohl sich die Musiker durchaus an etablierten Formensprachen verblichener Soulstars wie Marvin Gaye und Johnny Bristol orientieren. Raffinierte Chöre, opulente Streicher, funky Basslinen, hier hört man alles, was in den späten Sixties und frühen Seventies en vogue war.
Rendezvous an der Befehlsausgabe
Etwa auf „The Ride“, dessen Anmutung an Gayes „What's Going On“ erinnert. Mit beinah rauer Stimme und ungekünstelter Ausdruckskraft führt Denalane einem Verehrer die Realität vor Augen: „Hey boy, you better watch your step. If you're coming with me, come on, I ain't really trying to settle down.“ Zwei Strophen weiter wird sie noch direkter: „Stop and ask for directions baby.“ Mit diesem Text hätte Gordy, der ja kurioserweise Marvin Gayes sozio-öko-politischen Meilenstein „What's Going On“ zuerst nicht veröffentlichen wollte, keine Freude gehabt. So hat es seinen durchaus Reiz, wenn Denalane ihre emanzipierten Lyrics in gut gebauten, an Motown-Girlgroups wie Martha & The Vandellas und die frühen Supremes erinnernden Liedern unterbringt.
Über weite Strecken intoniert Denalane recht rau. Das passt gut zu den feinsinnigen Arrangements von Roberto Di Gioia, der auch schon für The Notwist und Helge Schneider gearbeitet hat. Aufgenommen wurde hauptsächlich in München, das Klangbild erinnert auch an Zeiten, wo diese Stadt der Nabel der Disco-Welt war und selbst die Rolling Stones anlockte.
Inhaltlich ist „Let Yourself Be Loved“ strikt monothematisch. Es geht um die Liebe und deren Widersprüchlichkeiten. Diese auslotend, singt sich Denalane in die schönsten Wirbel. In „Wounded Love“ verrät sie Rezepte gegen Liebeskummer, in „Hey Dreamer“ zeichnet sie die Liebe als Traumgespinst. Besonders eindringlich: „Be Here In The Morning“, das sie mit dem Texaner C.S. Armstrong als Duett singt. Für das von einer glühenden Hammondorgel befeuerte „Stand“ hat sie drei New Yorker Burschen für brünftige „Huhs“ und „Hahs“ verpflichtet. Denalane ist eine detailversessene Künstlerin, die gern das letzte Wort hat. Und so schön ihr Vintage-Sound ist, man hört bei ihr – wie bei Michael Kiwanuka – jene Bitterstoffe, die sich in einem Leben als Dunkelhäutiger in einer weißen Mehrheitsgesellschaft so ansammeln. Dabei klingt sie souveräner und beseelter denn je zuvor. (Die Presse)
Joy Denalane: Bayern grüßt Detroit
Die deutsche Sängerin singt erstmals ein Album nur auf Englisch und veröffentlicht bei Motown "Let Yourself Be Loved"
Deutsche Soulmusik, das klingt irgendwie immer noch artfremd. So wie dänischer Ferrari oder griechisches Schnitzel. Denn im Unterschied zur weißen Popmusik hängt am Soul das Erbe der in die USA verschleppten Sklaven aus Afrika. Das ist natürlich starker Tobak für ein dreiminütiges Lied über die Liebe und die Schmetterlinge im Bauch.
Das dachte sich einst auch Berry Gordy. Der gründete 1960 in Detroit das Label Motown, um mit einer vom Gospel und den Klagen des Blues weitgehend befreiten schwarzen Popmusik jenen Markt zu knacken, der am meisten Dollars in der Tasche hatte: den weißen.
Gordy machte aus Motown ein Imperium. Eine Hitmaschine, die in ihrer goldenen Ära bis hinein in die mittleren 1970er-Jahre eine Reihe von schwarzen Superstars hervorbrachte, ohne die die Popmusik heute nicht klingen würde, wie sie klingt: Diana Ross, Smokey Robinson, Marvin Gaye, Stevie Wonder ... sowie Dutzende mehr.
Und dann ist da noch Joy Denalane. Die würde auf ihrem neuen Album Let Yourself Be Loved ohne Motown nicht so klingen, wie sie klingt. Die deutsche Mittvierzigerin gilt zwar seit fast 20 Jahren als so etwas wie die Königin des deutschen Soul, aber nun singt sie erstmals auf Englisch und veröffentlicht als erste deutsche Musikerin ein Album auf – erraten – Motown.
Das adelt, selbst wenn Motown heute nur eines von vielen Sublabels des Unterhaltungsgiganten Universal Music ist. Nennen wir es ein Zeichen. Und es bedurfte gar nicht der aktuellen Black-Lives-Matter-Bewegung, um Joy Denalane in diese Richtung zu stupsen. Sie ist als in Deutschland geborene Tochter eines Südafrikaners mit Rassismus lebenslang konfrontiert. Und genauso lang kämpft sie dagegen, was aus den mehr oder weniger unterschwelligen Botschaften auf Let Yourself Be Loved herauszuhören ist.
Doch zuerst ist es ein sehr gelungenes Album. Denalane und ihre Mitstreiter beziehen aus dem Motown-Sound der 1970er ihre Inspiration. Damals war das Label durch die gesellschaftspolitisch positionierten Arbeiten eines Marvin Gaye längst nicht mehr bloß ein tanzbarer Teeniedisco-Verlag. Den Zeichen ihrer Zeit geschuldet, wurden aus den Boy-meets-Girl-Liedern Message-Songs, später Konzeptalben. Also Lieder und Werke, die ein höheres Ansinnen hatten als bloß den schnellen Dollar.
Der war zwar wichtig, um irgendwann die weiße Hoheit über die Medien zu brechen. Doch bis es so weit sein sollte, hatte Gordy den Balanceakt zwischen Kommerz und Message so zu meistern, dass sich das weiße Publikum nicht abwandte. Doch gesellschaftliche Umbrüche wie die Bürgerrechtsbewegung, der Mord an Martin Luther King und der Vietnamkrieg spielten Gordy in die Hände. Dass die Marke Motown bis heute existiert, belegt, wie erfolgreich er war.
So sehr, dass 60 Jahre später aus Berlin-Kreuzberg stammende Musiker in der Nähe München ein Album aufnehmen, das sich vor seinen Künstlern verneigt. Denn natürlich ist Denalanes Arbeit auch eine Hommage. Gleichzeitig ist diese Ästhetik längst eine Formel geworden, auf die jeder Zugriff hat, der sich dafür interessiert.
Ihre diesbezügliche Zuneigung demonstrierte Denalane mit mehreren Top-Ten-Alben wie Gleisdreieck (2017). Oder einer Kollaboration mit der australischen Soul-Band Teskey Brothers. Mit der nahm sie heuer eine Version von John Lennons Geständnis Jealous Guy auf. Soul verstand es immer, individuelle Gefühle in eine universell verständliche Form zu bringen.
Was ihr mit Jealous Guy gelang, gelingt ihr mit ebenso großer Verve auf Let Yourself Be Loved. Die Message von der Verantwortung, die Welt ein Stück besser zu hinterlassen, als man sie vorgefunden hat, ist darauf ebenso präsent wie die Verpflichtung, jenen Kräften entgegenzutreten, die genau das verhindern wollen.
So gesehen strapaziert Denalane nicht nur klassischen 1970er-Jahre-Soul, sie stellt sich mit diesem Album in eine Reihe mit demselben. Zumal die Themen sich leider nicht geändert haben, zumal die Musik in ihrer Zeitlosigkeit einfach immer noch so bestechend gut funktioniert. Let Yourself Be Loved beschwört den Geist von Motown nicht nur aus der Fan-Ecke, es haucht ihm neues Leben ein. Da gab es vermeintlich authentischere US-Musiker, denen das nicht in dem Ausmaß, nicht mit der Überzeugungskraft gelungen ist. (Karl Fluch, 17.9.2020)
Eine Veranstaltung von Barracuda Music