Georg Vogel Solo / Elias Stemeseder & Georg Vogel (A) Stream vom 13.02.2021
Georg Vogel Solo
Georg Vogel: 31-tone claviton
Elias Stemeseder & Georg Vogel
Elias Stemeseder: piano
Georg Vogel: piano
special guest: Soley Blümel: piano
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Sperrigkeit ist nicht der Zweck
George Vogel zählt zu den hoffnungsvollsten, jungen Jazzmusikern Östereichs. Der Pianist hat sich mit dem 31-Ton-Klavinett ein eigenes Instrument gebaut.
Das hübsch patinierte Volksgartenbad, der noble Residenz-Verlag, das erzbischöfliche Knabenseminar Borromäum, der Salzburger Bezirk Parsch strahlt angenehme Bürgerlichkeit aus. In diesem Umfeld ist der 32jährige Jazzpianist Georg Vogel aufgewachsen. Lauscht man seinen vielschichtigen Sounds, dann rätselt man zwangsläufig über das Tumultarische darin. Ihr Schöpfer revoltiert offenbar gegen alles Herkömmliche. Danach befragt, wehrt er die Idee, dass er eine Art Revoluzzer sein könnte, recht trocken ab. „Es darf alles einfließen, was im Leben vorkommt.“ Also auch eine gewisse Widerständigkeit. Seiner behüteten Kindheit sinniert er aber gerne nach. Einen präzisen Moment, an dem er erkannt hätte, dass er ein Ohrenmensch ist, kann er nicht benennen. Eltern und Großeltern haben ihm früh Klavierunterricht ermöglicht. In die Oper wurde er auch gerne mitgenommen. Ein wenig scheint er sich schon darüber zu wundern, dass er als neue Hoffnung des heimischen Jazz gehandelt wird. Er ist sich des Diktums des französischen Existenzialisten Jean-Paul Sartre bewußt, dass er genauso gut jemand ganz anderer hätte werden können. Das Staunen darüber, begrübelt er gerne. Im Wiener Porgy & Bess, das ihm gerade drei Abende gewährte, um einem Streamingpublikum seine künstlerische Bandbreite vorzustellen, gibt sich Vogel in sich gekehrt. Er spricht leise, setzt Aussagen öfters ein „Mhm“ nach. Die Frage nach Vorbildern verschafft ihm ein gewisses Unbehagen. Lieber erzählt er davon, dass es niemals einen Tag der Entscheidung gegeben hat, an dem er sich sagte, jetzt werde ich professioneller Musiker. Nein, es hätten einfach Konzerte gespielt werden müssen. Aus dem Strudel der Verpflichtungen sei er nicht mehr rausgekommen. Das Studium der Politikwissenschaften, das ließ er dann sein. Irgerndwann hat Vogel er doch noch einen Hero genannt. Der blinde, britische Pianist George Shearing hätte ihm imponiert, ein Musiker, dem auch der amerikanische Schriftsteller Jack Kerouac in seinem Buch „On The Road“ ausgiebig gewürdigt hat. „Guruhaftes Vorbild“ wäre Shearing aber keines gewesen, betont Vogel. Einleuchtend, wenn man sich Shearings Welthit „Lullaby Of Birdland“ anhört und mit den recht sperrigen Werken Vogels in Beziehung setzt. Jedem, der darüber staunt, sagt er, dass er nicht an die Chronologie der Entwicklung glaubt. „Jede Generation sucht sich etwas anderes zur Erforschung.“ Zentrum von Vogels Aktivitäten ist die Band Dsilton, bei der es um lange vorbereitete Kompositionen und Arrangements geht. Den freien Fluß der Improvisation, den pflegt er mit anderen Kollegen. Etwa als Sideman des renommierten Saxofonisten Gerald Preinfalk. Seine ausgefallenen Ideen führten Vogel früh dazu, sich ein eigenes Instrument zu bauen, das 31-Ton-Klavinett. „Dieses Instrument hat andere Einschränkungen als das Klavier.“ sagt er stolz. Von einem Elysium totaler Freiheit träumt er nicht. Über die 31-Ton-Theorie, die Ende des 16. Jahrhunderts fürs Cembalo ersonnen wurde, kann er endlos schwärmen. Mit seinem Trio Dsilton frönt er diesem Klangsystem, für das sich auch sein Gitarrist David Dornig ein spezielles Instrument bauen hat lassen. Abseits der Musikpraxis hält Vogel auch gerne Vorträge vor 31-Ton-Gesellschaften, die es in mehreren Städten gibt. Er ist auch Mitherausgeber eines Magazins mit dem erratischen Namen „Enharmntolische Theorie & Praxis“. Man merkt schon, Vogel befindet sich mit seiner Musik nicht im Herzen der Kommerzialiät. „Sperrigkeit ist nicht der Zweck. Das Resultat ist nie die Idee.“ doziert er und verweist darauf, dass er schon an vielen Orten damit zu Gast war. Spielt die räumliche Atmosphäre eine Rolle für seinen Output? Könnte er auch auf einem Kriegsschiff spielen? „Uuh, da hatte ich noch keine Gelegenheit“ sagt er stoisch. Dieser Mann ist abseits seines Instruments nur schwer aus der Reserve zu locken. (Samir H. Köck, Die Presse 24.02.2021)
Kosmos mit 31 Tönen: Pianist Georg Vogel im Porgy & Bess
Ab Freitag ist dem Pianisten, Komponisten und kreativen Instrumentebauer im Porgy & Bess eine dreitägige Reihe gewidmet
Als Georg Vogel 31 Jahre jung war, lag die Pointe mit der Zahl auf der Hand. Der Salzburger Pianist hat einen speziellen Musikkosmos entwickelt, der den Tonraum einer Oktave nicht in die üblichen zwölf, sondern in eben genau 31 Töne teilte. Nun, 32 Jahre jung, hat Vogel sein Tongelände alterungsbedingt nicht in 32 Elemente aufgespalten.
Das Ganze ist ja kein Gag. Vielmehr hat Vogel die Suche nach speziellem Klang zum Ausbruch aus einer Konvention geführt, die seit langem den akzeptierten tonalen Rahmen für Klassik und Jazz abgibt. Die Suche hat sich gelohnt: Tatsächlich entstand, wenn man den subtilen Virtuosen spielen hört, ein schummriger Musikkosmos, dessen Akkorde, Motive und Linien geheimnisvolle Ambivalenz ausstrahlen. Plaudert man mit Vogel über die Idee zu seinem System, beginnt er bei den antiken Griechen, erzählt von Naturtonreihen, Oktaven und Quinten, geht weiter ins 15. Jahrhundert und kommt schließlich zu seiner Tastenerfindung: dem Claviton!
Vogel, dem ab Freitag ein dreitägiges Porträt im Porgy & Bess gewidmet ist, kam zu seiner 31-tönigen Vision über die Disziplin des Klavierstimmens, in der er sich eher ungeplant versuchte. Der komplexe Stimmvorgang liegt ja an sich in Händen von Profis, denen Pianisten und Pianistinnen vertrauen. Nun begab es sich allerdings, dass Vogels damaligem Instrument, einem elektroakustischen Clavichord aus den 1960ern, eine Saite riss, was Vogel "handwerklich" aktiv werden ließ und zu Überlegungen animierte, eigene Instrumente zu entwickeln. Also das Claviton mit 31 Tönen, die sich in eine Tonleiter drängen.
Grundsätzlich habe das alles zunächst als "Vorstellung und Imagination begonnen, noch, bevor das Instrument gebaut wurde", erinnert sich Vogel, der weit mehr ist, als ein Instrumente bauender Musiktheoretiker. Er bewegt sich auch als Komponist raffiniert zwischen Jazz und Moderne. Soll er einen Stil nennen, der ihn gegenwärtig beschäftigt, führt er überraschenderweise das "Stride Piano" an. Diese Richtung aus der Frühzeit des Jazz, bei der die linke Klavierhand sehr munter-sprunghaft Bass und Akkorde beisteuert, fasziniert ihn und zeigt: Vogel trachtet durchaus danach, seine Vieltönigkeit abstrakt an die Tradition anzubinden.
Dabei scheinen einzelne prominente Kollegennamen nicht wichtig. Behauptet man gegenüber Vogel, sein Zugang weise Verwandtschaft etwa mit Exzentriker Thelonious Monk auf, zeigt sich Vogel irgendwie belustigt. Beim Namen Keith Jarrett bleibt er überhaupt indifferent, um nicht zu sagen stumm.
Vogel lebt in seinem System natürlich nicht als Robinson-artiger Eremit. Man hört ihn im Porgy mit dem 31-Ton-Ensemble Dsilton, bei dem David Dornig an der 31-Ton-Gitarre geigt und Klangforum-Saxofonist Gerald Preinfalk als Gast brilliert. Zudem ist da Vogels Duett mit Soley Blümel und auch eines mit Elias Stemeseder; zum Finale hört man die Formation Flower mit Uraufführungen.
System hin, Innovation her: Beide Elemente sind eigentlich Mittel zur Kommunikation, auf die Vogel Wert legt und die er auch mittels Improvisation betreibt. Was aber ist ihm Improvisation? Den Vorschlag, sie sei "Emotion und Ratio im Zwiegespräch mit der Routine des Erübten", nimmt Vogel an. "Die Definition trifft durchaus zu. Das Erübte ist, denke ich, auch vorstellbar als Reservoir an Bausteinen, zu welchen im Vorfeld eine Verbindung aufgebaut werden konnte – im Sinne des Erkennens von Notwendigkeiten."
Diese Bausteine würden dem Spieler in Form von Variationen zur Verfügung stehen. Situationsbedingt würden sie "nie vollständig voraussehbar" zur Anwendung gebracht. Ja, und im Ensemble können die kommunikativen Ergebnisse "von ungeahnter Art sein." Durchaus auch ohne Publikum, das im Porgy nicht erscheinen darf. Die Atmosphäre in dem als Livestudio fungierenden Club "erlebe ich als sehr fokussiert". Beim Musizieren sei "das virtuelle Publikum" irgendwie doch auch "im Raum präsent", um die 31 Töne zu genießen. (Ljubiša Tošić, Der Standard 12.2.2021)
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