Mo 8. November 2021
19:00

musiziert Andreas Okopenko (1930‒2010) Traumberichte
(Versauungen, Erbauungen & Systemsorgen)
Johanna von der Deken: Stimme, Rezitation
Tobias Leibetseder: electronics
Renald Deppe: Klarinette, Konzeption

Leben sind die Spesen,
Träume der Ertrag.

Georg Kreisler

• Am 27. Juni 2010 verstarb eine stille, aber umso ausdrucksmächtigere Stimme der literarischen Avantgarde: der 1930 in Košice (Slowakei) geborene österreichische Dichter Andreas Okopenko. Über viele Jahre seines Lebens notierte Okopenko sofort nach dem Erwachen täglich seine Träume. Diese nächtlichen wie frühmorgendlichen Protokolle sind ein einzigartiges Dokument der Lebens(über)bewältigung.

Akribisch all seine geträumten Um-, Ab- und Irrwege verzeichnend, schonungslos die im Halbschlaf durchlebten Lust- und Frustenergien dokumentierend, entwirft der Autor trotz aller Versauungen und Systemsorgen ein humorvoll poetisches Selbstbildnis.

Wundersame Erbauungen und Gestalten durchziehen Okopenkos Traumwelten: Krokodile (in den Pfötchen jung die Gebetchen), Duna in Obers und Duna tätowiert, die Freuden einer Lynch-Buchhaltung, Wohnbeete und heiße Gräber (für wenn man relativ tot ist).

Ungeschöntes: ohne Weich- & Bleichzeichnungen.
Unerhörtes: ohne Leid- & Kleidzensuren.
Unverhofftes: ohne Banal- & Sozialversicherungen.
Unverdauliches: ohne Nasen- & Blasenschutz.
Unsagbares: mit unbeschreiblichen Feder-, Leder-, Leber-, Geber- & Nehmerqualitäten.
Und dem geneigten Leser, erstaunt ob der Vielfalt der Traumgespinste, kommt dann doch manches bekannt vor, erinnert sich vielleicht an ähnlich Selbsterträumtes...

(Renald Deppe)

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Schlafe, Kleines.
Ein nichterinnerter Traum ging in ein Halbschlaf-Resumee über, in dem ich ohne das Gefühl von geistiger Arbeit gerade noch blitzschnell dichtete:

Schlafe, Kleines, aufbewahrt
in der Zigarettenkiste,
Vater ist auf große Fahrt,
seit er dich ins Leben pißte.
Mutter ist im Irrenhaus,
seit sie dich ins Leben schiß,
und dein Leben ist bald aus.
Darum schlafe und vergiß.

Ich sah dazu geöffnet die große hellhölzerne Kiste.

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Geträumtes Palindrom.
God save Eva's dog!

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Spot.
Ich hatte vier Beine und genierte mich für die zwei verschiedenen Paar Schuhe.

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Halbschlafsequenz.
Ein Mädchen tunkt ihre rechte Brustwarze in schwarze Schminke. Die Karikatur eines Fleischermeisters aus lauter Speckfalten sitzt im Mönichkirchner Autobus auf der Rückfahrt, reibt sich die Schinkenhand und sagt saftig: "Deborrah, jetzt ghörst mei!"

Andreas Okopenko (Aus: Traumberichte, Edition Blattwerk, 1991)