Fr 18. April 2003
21:00

Bobby Previte’s Bump Electric plays Counterclockwise

Bobby Previte: drums
Mat Manieri: viola
Brandon Ross: guitar
Wayne Horvitz: piano
Steve Swallow: bass

Vorsicht mit den ganzen Superlativen! Wie Springfluten purzeln sie aus einem heraus, wenn der Kopf nicht mehr fassen kann, was das Auge sieht oder das Ohr hört. Enthusiasmus tritt anstelle von exakter Beobachtung, blinde Hörigkeit ersetzt kritische Distanz. Der ideale Nährboden für Manien, vor allem in der Musik, diesem riesigen Supermarkt der Gefühle.
Aber was will man machen, wenn einem die Laune des Augenblicks etwas derart Außergewöhnliches serviert, wie die „Bump Band“ des Schlagzeugers Bobby Previte? Im Neuburger „Birdland“ jedenfalls wußten sie nach dem fulminanten Konzert nicht, wann sie zum letzten Mal Zeuge einer solchen Konstellation am Firmament waren. Fünf Fixsterne des zeitgenössischen Jazz begegnen sich, verschmelzen miteinander, explodieren und hinterlassen eine Nova, deren Schweif bis ans andere Ende der Galaxis leuchtet.
Zuviele Superlative? Und wenn schon! Naturereignis, Gipfeltreffen, Meilenstein - für das, was dieses Quintett während wahrlich verrückter zweieinhalb Stunden an exzentrischen Rhythmusgerüsten, berauschend farbigen Solotürmen und bombenfesten Ensemblefundamenten in den Keller unter der Hofapotheke baute, ist die euphorischste Beschreibung gerade mal gut genug. Das Konglomerat der Superstars aus der New Yorker Downtown-Avantgarde erfindet zwar nicht die Musik neu, aber zumindest die Einstellung dazu: immer am Limit, alle Grenzen niederrennend. (...)
Dazwischen, davor, daneben, darunter: Bobby Previte. Der 38jährige verkörpert derzeit wohl am perfektesten das Leitbild des emanzipierten Drummers. Egal ob Samba, Souljazz, Avantgarde oder Rock; der Mann schiebt an, dreht mit ostinaten Figuren unablässig am Rad und integriert sogar das Knarren des Hi-Hat-Gestells in seine kunstvollen Alleingänge. Previte formt mit großer Autorität Musik. Seine Musik, die so brandaktuell ist, daß sie ganze Generationen, Stile, Kulturen zu vereinen weiß und die Menschen hypnotisiert und auf die Stühle treibt. Wenn Sterne für dieses Konzert zu vergeben wären: es hätte eine ganze Milchstraße verdient. (Reinhard Köchl)