So 2. April 2023
20:30

Regener / Pappik / Busch 'Ask Me Now' (D)

Sven Regener: trumpet
Ekki Busch: piano
Richard Pappik: drums

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Sven Regener? Das ist doch der Sänger von Element Of Crime! Und Richard Pappik? Klar, der trommelt bei Element Of Crime. Hat nicht auch Ekki Busch immer mal wieder bei der Band Akkordeon gespielt? Richtig. Gemeinsam haben die drei Vollblutmusiker jetzt ein Jazz-Album aufgenommen. Kann das gut gehen? Absolut, denn Regener Pappik Busch ist nicht etwa ein Nebenprojekt von Element Of Crime, sondern mit exakt einem Bläser die kleinste Brass Band Deutschlands.

Lange bevor Sven Regener zu einem der originellsten Songtexter und Sänger des deutschen Sprachraums wurde, spielte er bereits Trompete. Bei Element Of Crime ließ er immer wieder kleine Kostproben davon aufblitzen, aber diese Einlagen verraten nicht ansatzweise die Intensität, mit der er auf seinem Horn stetig neue Herausforderungen sucht. Im Gegenzug war es nur eine Frage der Zeit, bis die Trompete einen prominenteren Platz im Output des Sängers einforderte. Das Ergebnis dieses Pakts ist nun „Ask Me Now“.

Auslöser für die Rückbesinnung auf diese alte Liebe zwischen Sven Regener und seiner Trompete war im November 2011 die Beerdigung seines Trompetenlehrers Eckfrid von Knobelsdorff in Bremen, auf der er seinem Mentor mit vielen Jazzmusikern ein Ständchen spielte. Das fühlte sich gut an, aber Regener merkte auch, dass er mit seinem Instrument noch nicht dort war, wo er sein wollte. Also übte er. „Ich wollte mal wieder was auf der Trompete machen“, erinnert er sich, „denn im Rock ist sie ja eher ein Stiefkind. Ich kann sie zwar ab und an bei Element Of Crime rausholen, aber im Verhältnis zu dem, was ich dort mit Gitarre und Texten mache, ist das fast nichts. Irgendwann sagte ich mir, es kann nicht sein, dass ich seit 45 Jahren Trompete spiele und bestenfalls mal hier oder da 20 Sekunden unterbringe.“

So nahmen die Dinge ihren Lauf. Statt sich die Tage mit Skalen und Intervallen um die Ohren zu schlagen, nahm er sich eine Reihe von Jazzstandards vor. Und – so einfach ist das manchmal im Leben – das machte ihm Spaß. Mit Ekki Busch, der ganz nebenbei auch ein ausgezeichneter Jazz-Pianist ist, begann er diese Stücke im Duo zu spielen. Doch irgendwie fehlte da noch was. Um dem ganzen Unternehmen mehr rhythmischen Biss zu geben, musste ein Schlagzeuger her. Was lag da näher, als Richard Pappik zu fragen, mit dem beide Musiker ja ohnehin aufs Engste verbunden sind und der unter anderem als Krautrockmaschine bei Element of Crime einer der interessantesten und profiliertesten Schlagzeuger Deutschlands ist. Gemeinsam fanden die drei eine Ästhetik, bei der es überhaupt nicht um Soli, sondern ausschließlich um die Songs ging. Der Umstand, dass sie in Sachen Jazz in keiner Weise vorbelastet sind, spielte ihnen dabei freilich in die Karten. „Die Dreistigkeit des Ganzen ist vergleichbar mit Jazzmusikern, die plötzlich Pop spielen“, freut sich Regener immer noch. „Wir hatten gar nicht die Möglichkeit, uns ein Referenzsystem aufzubauen, weil wir das aus unserer Geschichte heraus überhaupt nicht haben, sondern griffen diese Stücke mit unseren eigenen Mitteln auf. Diese Kompositionen machen das einfach möglich.“

Sicher hätte Regener neue Stücke für diese Platte schreiben können, und ja, auch Texte wären denkbar gewesen. Aber man entschied sich bewusst für zwölf Jazzstandards. Denn Regener ist ein passionierter Geschichtenerzähler, und in diesen Songs stecken eben wunderbare Geschichten. Eine gute Melodie selbst sei bereits eine Story, findet Regener, und die Tatsache, dass diese Lieder seit so vielen Jahren immer wieder neu gespielt werden, sei doch Beweis genug für ihre narrative Kraft.
Drei Songs von John Coltrane, zwei von Thelonious Monk, dazu unter anderem Stücke von Dizzy Gillespie, Billie Holiday oder Charlie Parker – Regener, Pappik und Busch brauchen keinen Grund, um diese Klassiker zu spielen. Diese musikantische Lust am schnörkellosen Fabulieren, dieses unbedingte Einlassen auf jeden Song, wie auch das gemeinsame Vorpreschen ohne Erklärungen, Beipackzettel oder jeglichen Überbau ist Erklärung genug. Sie hauen diese Nummern raus wie Gassenhauer, die sowieso gerade in der Luft liegen, und nehmen den Hörer mit, sei er nun Jazzfan oder nicht.

Zu Regeners Vorbildern auf der Trompete gehört der Amerikaner Lester Bowie, der sich mit dem Art Ensemble of Chicago und der Brass Fantasy unsterblich machte. Nicht, weil Regener sich anmaßen würde, Bowies Timbre zu kopieren, sondern weil dieser einerseits unfassbar laut und dreckig spielen konnte und zum anderen den Jazz dahin zurückführte, wo er einst herkam. Viele Jazzstandards waren ursprünglich Schlager oder Broadway- Melodien, die jeder kannte. Genau diese Unbekümmertheit, mit der Bowie diese Musik aus den Jazzclubs zurück in Parks und auf die belebten Plätze der Stadt holte, wohnt auch dem Geist von „Ask Me Now“ inne.

Regener liebt das Trio-Format, weil jeder der Beteiligten zu jedem Zeitpunkt voll da sein und entsprechend gehört werden muss. In Buschs Tastenspiel steckt viel Stride-Piano und Pappik zirkelt den Groove mit Besen und Hot Rods, dass es eine reine Freude ist. Ja, das sind Klassiker aus den vierziger bis sechziger Jahren, und die Inspiration vieler dieser Nummern geht auf die Roaring Twenties oder noch frühere Zeiten zurück. Indem das Trio genau diesem Spirit unvoreingenommen Rechnung trägt, kommen sie aber unmit- telbar in der Gegenwart an. Denn die Songs werden gespielt als die, die sie heute sind.

Verblüffend ist dabei die Ähnlichkeit zwischen Regeners Trompetensound und seiner Stimme. Mit dem für ihn typischen Hang zu Allegorien aus dem Alltag vergleicht er es mit einem Hundebesitzer und seinem Vierbeiner, die sich im Lauf der Zeit immer ähnlicher werden. „Das Tolle an der Trompete ist ja ihre Nähe zur menschlichen Stimme. Ich habe die Trompete immer als meine schönere Stimme empfunden. Die tiefe Liebe zu ihr hat mich nie verlassen, obwohl das Instrument es mir nicht immer leicht gemacht hat. Aber seit 35 Jahren habe ich die Trompete immer nur im Zusammenhang mit Songs eingesetzt. So spielt und improvisiert man am Ende eben doch eher wie ein Sänger und nicht wie ein Instrumentalist im engeren Sinne.“

Auch in Regeners Texten steckte schon immer viel Jazz, ähnlich wie bei Allen Ginsberg, der sich für seine Poesie von Charlie Parker oder Bob Dylan, der sich von John Coltrane inspirieren ließ. Regeners Wort- und Gedankenketten ähneln ebenso den Improvisationen eines Jazz-Solisten wie sein Instinkt, sich gedanklich von einem thematischen Kern zu entfernen, ihn zu paraphrasierieren, um letztlich umso pointierter zu ihm zurückzufinden. Ohne ein einziges Wort hören wir Regener auf dem Horn singen.

In diesem Sinne ist „Ask Me Now“ definitiv keine Abkehr von bereits Vertrautem, sondern die folgerichtige Konsequenz aus allem, was bisher passiert ist. Ein Jazzalbum ohne Firlefanz, ein lustvoller Sprung in die Vergangenheit ohne jeden Anflug von Nostalgie, ein Mordsspaß und nicht zuletzt einmal mehr eine verdammt gute Geschichte. (Pressetext)