30 Jahre P&B – Michael Mantler & The New Songs Ensemble (A/USA/DK/GB)
Michael Mantler: trumpet, composition
John Greaves, Annie Barbazza: vocals
Gareth Davis: bass clarinet
Bjarne Roupé: guitar
David Helbock: piano
radio string quartet
Bernie Mallinger: violin
Igmar Jenner: violin
Cynthia Liao: viola
Sophie Abraham: cello
Dieses Konzert wird von Ö1 aufgezeichnet und am 16. Oktober 2023 um 19.30h in der Sendung "on stage" ausgestrahlt.
Wir starten ca. 1/2 h vor Konzertbeginn den Live-Stream (Real-Time, nach Konzertende nicht mehr abrufbar!). Durch Klicken auf "Zum Livestream" öffnet sich ein Fenster, wo Sie kostenlos und ohne irgendeine Registrierung das Konzert miterleben können. Wir ersuchen Sie aber, dieses Projekt über "Pay as you wish" zu unterstützen. Vielen Dank & Willkommen im realen & virtuellen Club!
Nachdem ich im letzten Jahr mein SONGS-Projekt mit einer großen Gesangs- und Bläsergruppe (in der Tschechischen Republik und im Porgy, nicht weniger ...) durchgeführt hatte, war ich weiterhin fasziniert davon, diese und verschiedene andere Songs aus meiner Karriere neu zu bearbeiten. Da ich das Orchester auf etwas Einfacheres und Überschaubareres reduzieren wollte, das auch in Geist und Ausführung freier ist, griff ich wieder einmal auf meinen "Talentpool" alter Freunde zurück:
John Greaves - wir hatten uns 1976 kennengelernt, als ich mit ihm an der Aufnahme seines kultigen "Kew Rhone"-Albums in meinem Grog Kill-Studio in den USA arbeitete, dann trafen wir uns 1987 für mein LIVE-Projekt (mit Jack Bruce, Nick Mason, Don Preston, Rick Fenn) wieder, und er wirkte auch an meiner opernähnlichen SCHOOL OF UNDERSTANDING im Jahr 1996 mit. Wir sind über die Jahre immer in Kontakt geblieben, und er war auch maßgeblich daran beteiligt, Himiko Paganotti für mein COMMENT C'EST-Album vorzuschlagen, und jetzt, für dieses neue Projekt, bringt er seine musikalische Partnerin Annie Barbazza in mein neues Ensemble ein (eine besonders gute Wahl, da ein wesentlicher Teil des Programms aus Liedern mit italienischen Texten von Giuseppe Ungaretti besteht).
Bjarne Roupé ist der Gitarrist meiner Wahl, seit ich nach Europa zurückgekehrt bin, angefangen mit Aufführungen und Aufnahmen meines CERCO UN PAESE INNOCENTE im Jahr 1994, dann als Mitglied meines Ensembles Chamber Music and Songs bei meinem ersten Auftritt, einem Porträtkonzert, im Porgy im Jahr 2006, und dann bei praktisch allen meinen weiteren Projekten/Alben: SCHOOL OF UNDERSTANDING, SONGS AND ONE SYMPHONY, HIDE AND SEEK, CONCERTOS, FOR TWO, THE JAZZ COMPOSER'S ORCHESTRA UPDATE und schließlich mein letztes Album CODA.
David Helbock, ein weiterer meiner bevorzugten Mitwirkenden mit einem außergewöhnlichen Verständnis für meine Musik, ist seit THE JAZZ COMPOSER'S ORCHESTRA UPDATE, an dem auch das radio.string.quartet beteiligt war (das bereits 2006 als Teil meines Ensembles Chamber Music and Songs mitwirkte), an allen meinen Projekten beteiligt.
Und nicht zuletzt der Bassklarinetten-Solist Gareth Davis, der das ursprüngliche SONGS-Projekt initiiert hat und sich unermüdlich um die Aufführung dieser Musik bemüht.
Die Musik für dieses neue Programm (eigentlich eine Art Rückblick auf den 80. Geburtstag) wird Lieder mit Texten von Samuel Beckett, Ernst Meister, Giuseppe Ungaretti, Paul Auster, Harold Pinter und Michael Mantler umfassen.
Austrian Radio Ö1 December 5, 2022-12-11
Der Krieg und das Leben selbst als Themen: Michael Mantler 'On stage'
Michael Mantlers „Songs“ im Oktober 2022 im Wiener Porgy & Bess
An sich hatte Michael Mantler nach Realisierung seines Projekts „Coda – Orchestra Suites“ (2021 bei ECM erschienen) entschieden, keine neue Musik mehr schreiben zu wollen – angesichts der bereits vorliegenden Werke, die zumeist nur einmal aufgeführt worden sind. Der Hartnäckigkeit des britischen Klarinettisten Gareth Davis ist es zu verdanken, dass Mantler, der mittlerweile 79-jährige, in St. Pölten aufgewachsene Trompeter und Komponist, der in den 1960er Jahren Teil der New Yorker Avantgarde-Jazz-Szene war und mit den Aufnahmen des Jazz Composers’ Orchestra Geschichte schrieb, doch noch umdachte.
Mit der verlockenden Aussicht, seine Musik erstmals von einem siebenköpfigen Vokalensemble, begleitet von Marimba und einem fünfköpfigen Blechbläsersatz, aufgeführt zu sehen, adaptierte Mantler einige Partituren aus seinen Arbeiten „Many Have No Speech“ (1988 auf Tonträger erschienen), „Cerco un paese innocente“ (1995) und „Comment c’est“ (2017) für ein neues Programm namens „Songs“. Die Texte von Samuel Beckett, Ernst Meister, Giuseppe Ungaretti und Mantler selbst behandeln – erschreckend aktuell – das Grauen des Kriegs im Besonderen und die Conditio humana im Allgemeinen.
Am 17. Oktober 2022 waren die „Songs“ nach der Premiere beim Festival Jazz Goes to Town in Hradec Králové im Porgy & Bess in Wien zu erleben, mit Marko Ivanovic als Dirigent eines aus tschechischen Musiker:innen bestehenden Ensembles sowie Gareth Davis (Bassklarinette) und Michael Mantler (Trompete) als Solisten. (Christian Bakonyi)
Meine letzte Aufnahme mit dem Namen „Coda“ basierte auf dem Konzept, verschiedene Musikstücke aus meinen unterschiedlichen Schaffensperioden einem sehr selektiven Update zu unterziehen, um ihnen die Form gänzlich neuer Orchestersuiten zu verleihen.
Als ich bei einem Interview gefragt wurde, ob weitere Updates oder neue Kompositionen geplant wären, sagte ich: „Ganz bestimmt nicht. Ich habe mein eigenes Universum so weit verwertet, wie ich für wünschenswert oder nötig erachte. Ich denke, ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte, was nicht heißt, es sollte nicht öfter gesagt werden als in der Vergangenheit. Es gibt eine Fülle von Material, das nur ein einziges Mal öffentlich aufgeführt wurde. Mehr Aufführungen wären mit Sicherheit möglich und interessant. Abgesehen von wenigen Ausnahmen sind meine Projekte immer nur von mir selbst initiiert und zum Abschluss gebracht worden, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt habe ich weder das Bedürfnis noch den Willen, das noch einmal zu machen.“
Als mich also letzten Sommer der Bassklarinettist Gareth Davis kontaktierte, um zu fragen, ob ich daran interessiert wäre, ein paar Stücke für ihn zu schreiben, konnte ich nur antworten: „Nein danke. Ich glaube nicht, dass ich im Moment einen Beitrag leisten könnte. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich derzeit irgendeine neue Musik schreiben kann, und ich möchte mich wirklich nicht wiederholen.“
Nachdem Gareth nun aber ziemlich hartnäckig war und mit der Idee aufwartete, mit einem Vokalensemble (mit Blechbläsern und Percussion als Support) zu arbeiten, war ich interessiert genug, das in Erwägung zu ziehen, vor allem weil ich dachte, mit einem Vokalensemble zu arbeiten ‒ was ich nie zuvor getan habe ‒ könnte eine neue Herausforderung darstellen. Da sich danach konkrete und begeisterte Angebote ergaben, so ein Projekt beim Jazz Goes to Town Festival in Hradec Králové in Tschechien zu präsentieren, gefolgt von einer Aufführung im Porgy & Bess und möglicherweise in Zukunft in anderen Spielstätten, begann ich, ernsthaft darüber nachzudenken.
Ganz klar, ein Vokalensemble benötigte (zumindest meiner Meinung nach) einen Text. Überwältigt von den gnadenlos niederprasselnden Berichten über einen grauenhaften Krieg in unsere Nähe, suchte ich in relevanten Texten, die ich in der Vergangenheit verwendet hatte und wählte passende Passagen ‒ abstrakt im Fall von Samuel Beckett und Ernst Meister (früher verwendet für mein Album „Many Have No Speech“), wie auch solche von Giuseppe Ungaretti (von „Cerco un Paese Innocente“) und schließlich (ganz und gar nicht abstrakt, sondern sich sehr konkret mit Kriegsgräueln im Speziellen und der bedauernswerten conditio humana im Allgemeinen beschäftigend), einige meiner eigenen Worte aus „Comment C’est“. Wenn auch nicht wirklich „neue“ Kompositionen, so werden sie sich sicherlich von den Originalversionen unterscheiden. (Michael Mantler, Oktober 2022)
Im Anschluss: Feierliche Überreichung des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich