Muriel Grossmann 'Devotion' (A/ESP/SRB)
Muriel Grossmann: tenor, soprano saxophone
Radomir Milojkovic: guitar
Abel Boquera: hammond organ
Uros Stamenkovic: drums
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Muriel Grossmann ist eine österreichische Jazzsaxofonistin, die auf Ibiza lebt und auf einem estnischen Label global zelebrierten Spiritual Jazz veröffentlicht. Endlich war sie wieder im Porgy & Bess zu erleben. Von Samir H. Köck
Ein scharfes, ständig wiederholtes Motiv auf der E-Gitarre, Beckenschläge, ein milder Wind, der aus der Hammondorgel wehte. Erst jetzt setzte Muriel Grossmann mit drängendem Ton am Tenorsaxofon ein und hebt gleich ab. „Happiness“ heißt das Stück. Auf Basis klassischer Blue-Note-Hardbop-Ästhetik führt es die Saxofonistin zügig Richtung Spiritual Jazz à la Alice und John Coltrane. Der von der internationalen Fachwelt gerne geäußerte Vergleich mit diesen Legenden der Sechzigerjahre nervt und schmeichelt gleichzeitig. Sie beherrsche ihr Instrument weitaus nicht so perfekt wie John Coltrane, sagt sie im Gespräch mit der „Presse“, aber wenn ihre Musik an ihn erinnere, so akzeptiere sie das gerne. Freude erfüllte auch ihre Band. Die beiden Serben Radomir Milojkovic an der Gitarre und Uros Stamenkovic am Schlagzeug spielen schon fast zwanzig Jahre mit Grossmann. Das hört man. Neu in der Kombo ist der Hammondorgler Llorenç Barceló. Immer wieder formte er mit seinen Lippen unhörbare Silben, um seine entrückt fauchende Hammondorgel zu bemeistern. Weil die hiesige Bassistin Gina Schwarz bei den letzten Aufnahmesessions verhindert war, bekam er seine Chance. Und er hat sie genützt, führt er die Band doch in neue, weltlichere Fahrwasser. Gina Schwarz, war an diesem Abend nur „Special Guest“ bei zwei Kompositionen vom 2018 veröffentlichten Album „Golden Rule“, das sich als Schlüsselwerk in der Karriere von Grossmann erwiesen hat. Seit 2007 hat Grossmann ihre Musik nur auf CD am eigenen Label ediert, 2018 zeigte der Este Dmitri Kalinin Interesse, Grossmanns Musik auf Langspielplatte herauszubringen. Die Vinylpressungen mit neuer Bildästhetik und audiophiler Tonqualität heizten das Interesse an Muriel Grossmann international an. Der britische BBC-Mann Gilles Peterson feierte sie groß in seinen Radiosendungen. Der britische Labelbetreiber Gerald Short veröffentliche bald eine Single und mehrere Kompilationen. Kein Wunder, passt der eigenwillige Sound Grossmanns doch hervorragend in die seit einigen Jahren anhebende Renaissance des Spiritual Jazz, die sein Label Jazzman forciert. Grossmann hat sich allerdings nie für Moden interessiert. Sie spielt einfach, was aus ihr herauskommt. Flamboyant, intensiv und in mehreren Stimmlagen, also auf Tenor-, Alt- und Sopransaxofon. Die meisten Fans hat sie mittlerweile in den USA und in Großbritannien. Damit ist sie im Pantheon der wenigen aus Österreich stammenden, weltweit gefeierten Jazzmusiker. Viele sind das nicht, weil ja hiesige Meister wie Erich Kleinschuster, Fritz Pauer und Karlheinz Miklin lieber die Sicherheit von Hörfunkorchestern und Jazzuniversitäten gesucht haben, statt sich in die Welt hinauszuwagen. Da bleiben gerade mal Hans Koller, Joe Zawinul, Michael Mantler, Wolfgang Muthspiel und mit Abstrichen Karl Ratzer, dem übrigens diese Woche der Professorentitel verliehen wird. Vielleicht auch als Trost, daß er sein Potential nicht völlig ausgeschöpft hat. Selbiges tut Grossmann praktisch in jedem ihrer Konzerte. An diesem Abend wurde diese Haltungh besonders in „Traneing In“ spürbar, zu dem Gina Schwarz eine wunderbar elastische Baßfigur beisteuerte. Daß der große John Coltrane eine Komposition gleichen Namens im Repertoire hatte, das wußte Grossmann gar nicht, als sie ihre Stück komponierte. Im Porgy zelebrierte sie diese Exkursion ins Offene beinah eine Viertelstunde lang. Angetrieben von einer orientalisch anmutenden Melodie am Sopransaxofon drehte und wendete sie sich motivisch mit hoher Rasanz. Dass sie auch das Erdige beherrscht, demonstrierte sie beim von einem dichten Rhythmusteppich unterlegten „African Dance“. Lyrischer Höhepunkt des Abends war die sehnsuchtsvolle Melodie von „Sundown“. Sie zauberte Ibiza vors innere Auge. Was für eine markante Melodie! Nicht zu vergleichen mit dem narkotischen Sundowner-Ambient eines José Padilla. Muriel Grossmann entbot sonnengesättigten, majestätischen Jazz, der kräftigt, statt zu sedieren. Vielleicht ist Ibiza ja doch eine Jazzinsel? (Samir H. Köck, Die Presse, 24. Januar 2022)
http://www.murielgrossmann.com/