Do 12. Mai 2005
21:00

Trygve Seim Ensemble „Sangam“ (N)

Trygve Seim: tenor-, soprano saxophone
Håvard Lund: clarinet, bass clarinet
Nils Jansen: baritone saxophone, contrabass clarinet
Sjur Miljeteig: trumpet
Tone Reichelt: french horn
Lars Andreas Haug: tuba
Frode Haltli: accordeon
Morten Hannisdal: cello
Per Oddvar Johansen: drums

In der Ruhe liegt nicht nur die Kraft, sondern bisweilen ein ungemeiner Zauber. Vorausgesetzt, man weiß damit umzugehen. Wenn man sich beispielsweise wie der norwegische Saxophonist Trygve Seim an die impressionistischen Möglichkeiten einer nahezu von Bläsern dominierten Band erinnert, mit der Gil Evans die symphonischen Jazz-Dimensionen unnachahmlich bestimmte – dann zeugt das nicht nur von viel Geschmack: Seim ist zudem in der Lage, mit seinen ganz eigenen Jazz-Phantasien diese hohe Kunst des Ensemblespiels geradezu zu erneuern. (Guido Fischer, Jazzthetik)
Trygve Seims Solodebüt „Different Rivers“ war eines der herausragenden Newcomer-Jazzalben der letzten Jahre. Der norwegische Saxophonist wurde dafür 2001 mit dem Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik geehrt und von der internationalen Presse umjubelt. Heute könnte den 33jährigen die Kehrseite dieses überraschenden Ruhms einholen: Die hohen Ansprüche an das „schwierige zweite Album“. Seim hat seines „Sangam“ betitelt, und es ist kürzlich erschienen. Seim ist nicht Norah Jones, und auch nicht Jamie Cullum, er wurde vielmehr vor drei Jahren von den Medien als Star des jungen norwegischen Jazz ausgerufen. „Der ECM-Sound ist meine Ästhetik“, erklärt er selbstbewußt im Info seines Plattenlabels, das ihn zur zentralen Figur der „zweiten Generation norwegischer Musiker“ erklärt. Die zweite Generation der „leisen musikalischen Revolution“, die ECM in den 70ern und 80ern unternahm. Und diese Revolution frißt nicht ihre Kinder. Auch wenn Seim nach seinem überraschenden Erfolg mit dem Klischee des Jan-Garbarek-Nachfolgers zu kämpfen hatte.
Seims neue CD „Sangam“ erinnert nun über weite Strecken mehr an zeitgenössische Musik von Henryk Górecki und Arvo Pärt als an Jan Garbareks charakteristischen ECM-Jazz der frühen 80er Jahre. Der „nordische Schrei“ ist nur ein Teil von Seims musikalischem Vokabular, mehr aber auch nicht. Stilerweiternd hat sich auf seiner zweiten CD die Besetzung mit Frode Haltlis am Akkordeon ausgewirkt, einem Improvisator zwischen Jazz, Avantgarde und der Folktradition Norwegens. Ebenso, ist der Cellist Morten Hannisdal, Mitglied des Cikada Quartetts (mit dem Trygve Seim und seine Band The Source vor einigen Jahren auch schon ein Album produzierten) ein Genre-Grenzgänger. Starker Solist des Albums ist Trompeter Arve Henriksen, der auf „Sangam“ einige überwältigende Momente hat.
Seims Arrangements heben jedoch immer wieder die Trennung zwischen Solisten und Begleitung auf, das Ineinanderblenden der verschiedenen Stimmen des Ensembles läßt Vergleiche mit den Arbeiten von Gil Evans in den 50er Jahren zu. Unterstützt wird Trygve Seim dabei auch von einem Streicherensemble, das von Christian Eggen (bekannt durch seine Arbeit mit Terje Rypdal) geleitet wird. Mit dem Albumtitel, Sanskrit für „Zusammenfließen“, artikuliert Trygve Seim, dass er sich auch von außermusikalischen Ideen hat inspirieren lassen. So atmosphärisch und eingängig es auch ist, bringt einen jedes wiederholte Anhören von „Sangam“ in ungeahnte, bewegende Tiefen seines neuen Nordens. Herausragend wie auf seinem Debüt, ist Trygve Seim zwar kein unbeschriebenes Blatt mehr, aber er hat noch lange nicht sein ganz Blatt ausgespielt. (jazzecho.de)