So 1. Mai 2005
21:00

Elliott Sharp „Terraplane“ feat. Eric Mingus (USA)

Elliott Sharp: guitar, saxophone
Eric Mingus: vocals
Alex Harding: baritone saxophone
Curtis Fowkles: trombone
David Hofstra: bass
Lance Carter: drums

Verwundert rieb man sich Aug’ und Ohr, als man Elliott Sharp vor einigen Jahren alte Hadern von Sonny Boy Williamson intonieren hörte. Ausgerechnet er, der intellektuelle (Glatz-)Kopf der New Yorker Downtown-Szene, der in Formationen wie Carbon oder Slan infernalischen Lärm mit Präzision zu strukturieren wusste, schunkelte nun gemächlich durch Shuffle-Blues-Nummern.
Im grandiosen „Terraplane“-Nachfolgeprojekt „Blues for Next“ zeigte E# (so das offizielle Kürzel), dass die Beschäftigung mit seinen Roots indessen Thema bleiben würde. Auch in den Finger-und Hand-Tapping-Attacken, mit denen Sharp nun zu vernehmen war, war jene Basis stets präsent: Beruhigten sich die Strukturen zuweilen zu minimalistischen Patterns, in denen die Obertonspektren faszinierende Farbmutationen durchliefen, so vergegenständlichte sich der Klangfluss dann wieder zu Passagen, in denen die verhackstückten Teile der Bluesform spannungsvoll zueinander zu streben schienen.
In Art und Weise der klingenden Sezierübungen zeigte Sharp alte wissenschaftliche Akkuratesse, funktionierte auch das Bottleneck-Glissando zum neuen Klangrohstoff um, aus dem er eigenwillig getragene Soundlandschaften gewann. Frappant, wie er alte Formen aufschlüsselte und gerade in der Reibung aus konkreten und abstrahierten Materialien Musik von vertrauter Fremdheit schuf.
Als zum Ende der ersten Hälfte eine Slide-Linie mikrotonale orientalische Färbung annahm, sich das Ursubstrat afroamerikanischer Musik in subversiver Solidarität mit der Kultur von George W. Bush’ politischem Widerpart verband, da waren keine Worte mehr notwendig. (Andreas Felber, Der Standard, 22. Januar 04)