Di 27. September 2005
20:00

Tomasz Stanko Quartet (PL)

Tomasz Stanko: trumpet
Marcin Wasilewski: piano
Slawomir Kurkiewicz: bass
Michal Miskiewicz: drums

Kaum ein anderer Trompeter verfügt über ein derart großes Spektrum an klanglichen Gestaltungsmitteln wie der Pole Tomasz Stanko; er entlockt seinem Instrument nicht nur sehnsuchtsvolle Seufzer und sanftmütige Kantilenen, sondern auch Schreie der Verzweiflung, die durch Mark und Bein gehen. Stankos Musik lässt einen nicht gleichgültig, sie geht unter die Haut. Seit über dreißig Jahren zählt Stanko zu den herausragenden Persönlichkeiten des europäischen Jazz, zur Zeit befindet er sich auf dem Höhepunkt seines Könnens: Sein Spiel hat zu einer beeindruckenden Balance aus Expressivität und Subtilität, Aggressivität und Verletzlichkeit, grüblerischem Ernst und jubilierender Kraft gefunden. Das Einzige, was seiner Musik heute im Vergleich zu früher fehlt, ist die experimentelle Widerborstigkeit.
Seit einigen Jahren tritt Stanko fast nur noch mit seinem eigenen, rein polnischen Quartett auf, zu dem mit Marcin Wasilewski (Klavier), Slawomir Kurkiewicz (Bass) und Michal Miskiewicz (Schlagzeug) drei junge Ausnahmetalente gehören, die mit ihrem Mentor zu einer verschworenen Einheit verschmolzen sind. Bei ihrem Auftritt in der Alten Kaserne agierte diese Gruppe weitaus weniger brav als auf ihren zwei Alben für das Label ECM, auf denen die balladeske Anmut etwas gar stark im Vordergrund steht. Im Konzert wurde die Intensität nicht nur in der Introspektion gesucht: Auf der Basis mitreissender Ostinato-Figuren entwickelte die Band zuweilen einen Drive, als wolle sie abheben. Neben dem leidenschaftlichen Stanko profilierte sich insbesondere der Pianist Wasilewski als ungemein inspirierter und technisch brillanter Improvisator, der nicht zuletzt durch eine variable und plastische Phrasierung aufhorchen ließ. Aber auch der Bassist und der Schlagzeuger trugen viel zum Gelingen des Konzerts bei: Ersterer durch seine Ruhe und Übersicht, Letzterer durch seine Fähigkeit, den Rhythmus in pulsierende Klangfelder und unerwartete Akzente zu zergliedern, ohne ihm die Vitalität zu rauben.
Am beeindruckendsten war allerdings die Geschlossenheit der Band; nie hatte man das Gefühl, hier stehe der Meister mit seinen Schülern auf der Bühne. Die heftig zwischen Melancholie und Euphorie oszillierende Musik entwickelte sich gleichsam organisch aus sich selbst heraus und entwickelte – so paradox dies klingen mag – einen erhebenden Sog in die Tiefe: Dass da Musiker am Werk sind, deren Schaffen nichts Routiniertes an sich hat und die auch nicht versuchen, mit oberflächlicher Virtuosität zu blenden, sondern die sich mit Hingabe auf die Suche nach dem erfüllten Augenblick machen, nahm man aufgewühlt und beglückt zur Kenntnis. (Tom Gsteiger)

Mit freundlicher Unterstützung des Polnischen Kulturinstituts