Sa 18. November 2006
20:00

Ernst Reijseger Systeme D (NL/Senegal)

Ernst Reijseger: cello
Mola Sylla: vocals, m'bira, kongoma, xalam, bejjen, nose flute
Serigne Gueye: djembe, soruba, bougarabou, leget

Reijseger aus der holländischen Impro-Szene hat sein Cellospiel vom Vorhersehbaren befreit. Er hat die Traditionen verinnerlicht, um sich von ihnen zu lösen. Er fädelt den Bogen durch die Seiten, schleift sein Instrument knarzend über den Boden, spielt es wie eine Gitarre und trommelt auf ihm. Er pfeift, summt und wird theatralisch. Er zieht die Töne und schlägt die Arpeggien, wobei er den Saal ausschreitet und die Spannung hält.
Das fast Unmögliche, ein unvergeßliches herausragendes Live-Konzert für ein neues, spannendes Hörerlebnis Zuhause aufzunehmen, ist Ernst Reijseger mit Mola Sylla und Serigne C. M. Gueye gelungen. In Lormont nahe Bordeaux wurde dieses Trio im Rahmen der Konzertreihe „Musique de Nuit invite Winter&Winter“ vorgestellt. Und dort haben sich die drei Musiker für ein paar Tage in einem kleinen Thea-ter getroffen, um ihre musikalischen Geschichten einzuspielen.
Die Drei schaffen jene seltenen Momente knisternder Spannung und irritierender Schönheit, die tief emotionsgeladen sind. Was Ernst Reijseger, Mola Sylla und Serigne C. M. Gueye bieten, ist viel mehr als gängige Folklore. Sie sind die siebte Generation, die endlich darüber gemeinsam sprechen kann, was die Weißen den Schwarzen angetan haben.
Mola Sylla, der 1987 aus Dakar nach Amsterdam kam und seither in Holland lebt, spielt Daumenklavier oder Flöten. Er singt zumeist in Wolof, dem neben dem Französischen fortbestehenden Idiom, das 90% der Senegalesen sprechen. So blickt er auf die Geschichte seines Landes, auf muslimische Brüderschaften und historische Figuren wie den ins Exil getriebenen Cheikh Achmadou Bamba, dessen spirituelle Kraft dort nur gestärkt wurde. Sein liberaler Schüler Ibra Fall rückt ebenso ins Bild wie der Wissenschaftler und Namenspatron der Universität Dakar Anta Diop. Es geht um die Einnahme der alten Hauptstadt Ndar und die Einsamkeit in Europa, um Sicherheit und Trauer, um den Enkel des Propheten Mohammed und aussichtsloses Warten auf die Falsches versprechenden Fremden. Es geht um das, was ist, seine Neumontage und seinen Transport.
Ernst Reijseger ist der ideale Partner für solche Begegnungen und Verständigungen, das hat er im Zusammenspiel mit den Voches de Sardinna bereits wunderbar gezeigt. Seine immense Spielfreude, sein listiger Humor und seine stupende Fingerfertigkeit haben sich nie auftrumpfend verselbständigt. Auch das be-glaubigt diese Begegnung zweier Welten, deren unkalkulierter Zusammenklang jetzt möglich ist. Ein perkussiver, anrührender Dialog voller Kraft ist das, der sinnlich nachvollziehbar macht, dass Verständigung möglich ist. Dieser Dialog der Kulturen ist nicht zufällig Ernst Reijsegers Tochter Janna gewidmet worden, die uns zusammen mit ihrem Großvater „grimmig“ anschaut. (Ulrich Steinmetzger)