Mi 22. November 2006
20:00

Beefólk (A/ISL)

Georg Gratzer, alto-, soprano saxophone, bass clarinet, flute
Klemens Bittmann: violin, mandola, mandoline
Christian Bakanic: accordion, percussion
Helgi Hrafn Jonsson: trombone, vocals
Christian Wendt: bass
Jörg Haberl: drums

Auch Niederlagen haben Ihre ertragreichen Seiten: Die Wahrnehmung von Beefólk beginnt für nicht wenige Journalisten beim „irrtümlichen“ Sieg im Rahmen des „Austrian Young Lions“ Bandwettbewerbs anno 2002. Obwohl nur für Trios und Quartette ausgeschrieben, gelangten die sechs Jungjazzer aus Graz durch einen Organisationsfehler in die Wertung - um diese irritierend eindeutig für sich zu entscheiden. Die nachträgliche Disqualifikation schmerzte, ließ in Grazer Jazzkreisen gar Verschwörungsgerüchte hochkochen - um in der Folge umso nachdrücklicher auf das Können jener Band aufmerksam zu machen. Die schon in der nicht eben alltäglichen Besetzung mit einer aus Saxophom, Posaune, Violine und Akkordeon bestehenden Frontlinie ihre einem stilistischen Weitwinkelobjektiv vergleichbare Ausrichtung verdeutlicht: Beefólk pflegen weite Räume zu durchmessen: Buenos Aires, Reykjavik, Dublin, Sofia und das chinesische Yangshou sind nur einige der Bezugspunkte, die auf Place dramatique (Material Records/Edel), der aktuellen zweiten CD, aufscheinen. Doch nicht genug der geografischen Verweise, zeigen Beefólk zuweilen klassische kammermusikalische Raffinesse, um dann wieder das Rock-Tier aus dem Käfig zu lassen. Dass diese Stiloffenheit nicht ins beliebige Nirgendwo führt, verdanken das Sextett dem ausgeprägten Willen zur formalen Gestaltung. Die Beefólker zeigen Ambition, ihre musikalischen Energien in mitunter komplexen Formen zu fassen, Kontrastreich und detailfreudig auskomponierte, vielfärbig leuchtende Klanglandschaften ziehen hier am entzückten Ohr vorüber, akustische Choreografien, in denen die Improviasation mitunter gar peripher wirkt.
„Anna“ ist jene verrückte wie virtuose „Opera buffa in fünf Mikroszenen“ überschrieben, in denen sich der musikalische Kosmos von Beefólk wohl am komprimiertesten zeigt: Fünfeinhalb Minuten als Tour der Force der musikalischen Aggregatzustände, von Violin-Kantilenen über folkigen Punk-Rock-Drive zu halsbrecherischen Unisono-Linien, wobei Helgi Hrafn Jónssons ekstatische Stimme zuweilen an einen Bruder Björks denken lässt. Wolfgang Muthspiel attestierte den sechs Mannen den „Live-Appeal einer Rock-Band“ und brachte Place dramatique als erste Produktion ohne seine Mitwirkung auf seinem Label heraus. ... (Andreas Felber)