Kreative Menschen, so sagt man, reagieren seismographisch auf die Befindlichkeit der Welt, nehmen „in der Luft schwebende“ Stimmungen vorweg, machen ihrem Publikum innere Gefühle bewusst. So gesehen reiht sich die in Hongkong geborene Schweizer Liedermacherin und Sängerin Delia Mayer in eine Gruppe von Künstlern ein, die wenig Grund zur Heiterkeit finden. Der wehende Zeitgeist ist geprägt von Nachdenklichkeit, Einsamkeit, Melancholie, ja Verzweiflung; vom Rückzug auf einen selbst, von der Abwendung von der feindlichen Welt. Diese zeitweise etwas bedrückende Stimmung entfaltete sich auch im Klub Mascotte beim Bellevue, wo die charismatische Sängerin ihre eigenen Lieder einem beachtlichen Publikum „live“ vorstellte. Die einzelnen Geschichten sind zwar intime Beschreibungen von familiären Episoden, von Träumen und Visionen. Aber es geht auch um übergreifende Themen: um Dämonen und Plaggeister, um Traumbilder und immer wieder um Wege, all diesen Widerlichkeiten und unangenehmen Bildern zu entfliehen. Die Texte sind - neben der routinierten und gefühlsbetonten Darstellungskunst Delia Mayers - die überzeugendsten Elemente der Liedersammlung. Positives zu berichten gibt es (...) von der exzellenten Begleitband, in deren Zentrum Delia Mayers Bruder, der international gefeierte Schlagzeuger Jojo Mayer, und der österreichische Gitarrenstilist Martin Koller standen, zusammen mit dem Kontrabassisten Patrice Moret und dem vielseitigen Keyboarder Christian Rösli (dessen Stern hüben und drüben der Jazzszene rapide im Aufsteigen begriffen ist) (...) Eine wichtige Rolle spielte schliesslich der ebenfalls international bekannte Soundmann Roli Mosimann, der den Raum des Mascotte mit Leben füllte. (Nik Liebmann)