Mo 5. Februar 2007
20:00

Gutbucket (USA)

Ken Thomson: saxophone
Ty Citerman: guitar
Eric Rockwin: bass
Paul Chuffo: drums

Kann das gut gehen? Ein Jazz-Gitarrist, der nicht nur Jimi Hendrix (okay!) oder Jimmy Page von „Led Zeppelin“, sondern auch krudere Saiten-Schrubber aus der großen Metal-Mischmaschine als Vorbilder nennt? Oder ein Kontra-Bassist, der bei Paul McCartney in die Schule gegangen ist und Ray Brown nicht mal vom Hörensagen kannte – bis ihm endlich Papa eine CD schenkte?! Oder gar ein Frontmann, der unverkennbar aus der Sesamstraße stammt und, während er spielt, eine hochexplosive Nonstop-Show performt‘ die allein schon über die Grenzen des Menschenmöglichen hinausführt? Es funktioniert, nein: es begeistert. Selten ist der neuere Jazz so vital, so im Wortsinn mitreißend wie bei „gutbucket“. Wer sie einmal gehört hat, wundert sich nicht mehr, dass sie Freitagsabend-Stammgäste in der „Knitting Factory“ sind – aber auch er erfährt erst nach und nach, wie vermischungsfreudig sie sein können: Was Ken Thomson, Eric Rockwin, Ty Citerman und der Drummer Paul Chuffo bieten, ist Bastard-Jazz auf allerhöchstem Niveau, eine Rekonstruktion freier, improvisierter Musik aus dem Geist benachbarter Musik-Genres. „gutbucket“ zertrümmern gutgelaunt Messiaen, die Avantgarde-Ikone eines halben Jahrhunderts E-Musik, und sie tun so, als wäre ihnen das zu „transzendent“, auch zu zickig – dabei profitieren sie formal durchaus von Messiaen, von seinem mimetischen Verlangen genauso wie von seiner mathematischen Strenge und sie teilen auch seine „Gläubigkeit“. Ansonsten verhalten sie sich auf der Bühne, als sei Jazz ein Maskenball, posieren mal mit Klezmer-Hut, mal mit Hip-Hop-Kappe, versuchen sich als „scharfe“ Salsa-Köche und machen sich eine fiese Freude daraus, all den Tango-Aficionados die Herzen zu entschmalzen und die Füße zu verknoten. Und am Ende ihres Konzertes outen sie sich gar als Rock’n’Roller, als bestverdienende Machos mit Medienpräsenz und Gratis-Groupies – aber das ist natürlich nur „Fake“, ein Heidenspaß, weil sie mit den Popular-Genres dasselbe anstellen wie mit Messiaen: eine Untersuchung des Materials, ein wollüstiges Zerlegen fixierter Formen und Stile, um heraus zu bekommen, was sich daraus im und für den Jazz noch alles anstellen lässt. (Helmut Hein)