Mo 19. März 2007
20:00

Ernie Watts Quartet (USA/D)

Ernie Watts: saxophone
Christof Sänger: piano
Rudi Engel: bass
Heinrich Köbberling: drums

Der Mann ist wie aus einem Guss und von der Statur eines Jazzklassikers. Doch mit geradezu atemberaubender Vitalität beweist er, dass es sich hier nicht um eine Lektion in Stilkunde, sondern um aktuelle Musik handelt, voller Lebensenergie.
Wer Ernie Watts vor allem von seinen romantisch inspirierten Aufnahmen mit Charlie Hadens „Quartet West“ kennt, konnte an diesem Abend eine andere Facette des Saxophonisten kennen lernen: hingebungsvolles Spiel, das sich geradezu ekstatisch steigert, ohne sich im Spiel der Kräfte zu erschöpfen. Ernie Watts kommt von John Coltrane, doch er hat die ganze Geschichte seines Instruments im Jazz aufgesogen und aus all den unterschiedlichen Einflüssen einen eigenen Ton, eine eigene Spielweise destilliert. Um diese zu entfalten, bedarf es der passenden Umgebung. Und die hat Watts in dieser Besetzung mit jüngeren deutschen Musikern gefunden. Dies ist kein Trio im Hintergrund des genialen Solisten, sondern ein souverän mit musikalischen Handlungsabläufen umgehendes Quartett. Christof Sänger brilliert am Piano mit geradezu irrwitzigen Läufen und Schichtungen. Bassist Rudi Engel liefert ein sicheres Fundament und tritt auch als Solist aus der Rolle des Begleitenden heraus. Und Heinrich Köbberling schafft für diese im klassischen Bebop verwurzelte Musik ein sehr zeitgenössisch anmutendes Rhythmusgeflecht. Die Vier spielen überwiegend Kompositionen von Ernie Watts – ein Programm, das sich über weit mehr als zwei Stunden erstreckt und im punktgenauen Reagieren wie auch im gegenseitigen Überlassen von Freiräumen eine geradezu intuitive Art gegenseitigen Verstehens offenbart. Als der Saxophonist dann „Round Midnight“ intoniert, sind die beiden Zeiger der Uhr fast deckungsgleich auf der Zwölf. Ernie Watts hat mit allen Motown-Größen und auch mit den Rolling Stones zusammengespielt. Was er im Quartett mit Christof Sänger zum besten gibt, entspricht einem seiner Plattentitel, „The Long Road Home“. Einen großen Zirkel der populären Musik ausschreitend, ist er angekommen. Dort, wo er herkam, im Jazz. Doch mit all den Erfahrungen, die ihm keiner nehmen kann und die sein Spiel so besonders machen. (Bert Noglik)