Do 20. März 2008
20:30

Georg Breinschmid „Wien bleibt Krk“ (A)

Georg Breinschmid: bass, voice
Aleksey Igudesman: violin
Sebastian Gürtler: violin
Thomas Gansch: trumpet
4she: Caroline Athanasiadis, Monica Reyes, Sonja Romei, Leni Lust
special guestst: Agnes Heginger (voc), Willi Resetarits (voc), Tini Kainrath (voc), Roland Guggenbichler (p), Roman Janoska (vl), Diknu Schneeberger (git).

Das Wienerlied, diese zarte Pflanze, erhält neue wertvolle Nährstoffe von einem Bassisten, dessen Karriere trotz seines relativ jungen Alters (über die Relativitätstheorie des Alters wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen; Anm.) längst schon eine beachtliche Dimension annahm. Die Rede ist freilich von Georg Breinschmid – ursprünglich klassischer Kontrabassist, u. a. beim Niederösterreichischen Tonkünstlerorchester, danach bei den Wiener Philharmonikern, bis er sich entschloss, der Klassik den Rücken zu kehren, um sich fortan dem Jazz zu widmen. Seine Vielseitigkeit und Virtuosität sprach sich schnell herum, international wie hierzulande, so auch sieben Jahre lang als ständiger Kontrabassist des Vienna Art Orchestra. Breinschmid ist aber nicht nur Kontrabassist, sondern auch Komponist und Sänger. Ein singender Bassist ist ja nicht wirklich ungewöhnlich – man denke nur an Paul McCartney, Jack Bruce, Sting, Richard Bona, Falco – wenn auch selten genug. Soweit quasi die Ausgangssituation, die Basis, und somit kommen wir endlich zum vorliegenden Album „Wien bleibt Krk“, das Breinschmid mit einer illustren Schar an Musikerkollegen einspielte: Beni Schmid (vl), Stian Carstensen (acc), Aleksey Igudesman (vl), Sebastian Gürtler (vl), Thomas Gansch (trp, voc), Agnes Heginger (voc), 4she (Leni Lust, Caroline Athanasiadis, Iris Suchan, Linde Gansch; alle voc), Tini Kainrath (voc), Willi Resetarits (voc) und Roland Guggenbichler (p). Der Titel des Albums entstand aus dem Anfangszitat von „Wien bleibt Wien“ und der Fortführung in den 7/8-Takt, „was aber“, so Breinschmid, „überhaupt nichts mit kroatischer Musik zu tun hat.“ (Und abgesehen davon war Breinschmid noch nie auf Krk; Anm.) Allerdings haben die auf dem Album zu Gehör gebrachten Stücke sehr viel mit dem Balkan zu tun. Breinschmid präsentiert Walzer-, Polka- und Gipsy-beeinflusste Stücke aus dem gesamten Donauraum. „Ein Statement“, wie er meint, „dass Wien immer schon ein Schmelztiegel war. Politisch sowieso stets aktuell. Das ist mir musikalisch sehr wichtig zu dokumentieren.“ Der Großteil entstand im Verbund mit dem Virtuosen Beni Schmid an der Stradivari-Violine aus dem Jahr 1731 und dem Norweger Stian Carstensen am meisterlich gespielten Akkordeon unbekannten Datums. Und was die drei hier zustande bringen, ist Wahrhaftigkeit in Ausdruck und Gefühl, sei es im rasanten Titelstück, sei es im Walzerständchen „Musette pour Elisabeth“, sei es im Gipsy-Polka-Furioso „Skubek’s Delight“, dem jüngsten Stück Musik am Album. Ein Trio, an dem niemand vorbei kommt.
In Amstetten geboren, in der Schweiz aufgewachsen, entdeckte Breinschmid das Wiener Lied übrigens erst so richtig im Jahr 2000 im Rahmen von ein paar Konzerten als Begleitmusiker von Michael Heltau. „Da war im Zugabenteil des Programms das Lied ‚In einem kleinen Cafe in Hernals’ von Hermann Leopoldi. Wir hatten das gar nicht geprobt, und ich habe das Lied zum ersten Mal beim Konzert gehört. Ich war unglaublich berührt davon, und das hat eine dauerhafte Wienerlied-Phase in mir ausgelöst. Das hat in mir einen Punkt aufgezeigt, der mir nicht bewusst, aber scheinbar immer schon da war.“ Dieses emotionale Zuhause weckte auch das komponistische Gespür in Breinschmid und der Rest wird irgendwann einmal Legende sein. Gemeinsam mit Agnes Heginger wurde das Album „Tanzen“ veröffentlicht, darauf findet sich übrigens mit der gebreinschmiedeten Neuinterpretation von „Ganz Wien“ auch erstmals eine Hommage an Hans Hölzl. Auf „Wien bleibt Krk“ ist die Hommage eine Komposition von Thomas Gansch und Georg Breinschmid mit dem bemerkenswerten Titel „I pee a hedgehog with long-lasting waves“. Ein Titel, der auf den von Thomas Gansch geprägten österreichischen Dialekt-Ausdruck „I schiff an Igl mit Dauerwelln\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\" zurückgeht, so auch der im Lied platzierte Sager „Falco lebt, aber wir leben richtig“. Sehr aufschlussreich und in jedem Fall hörenswert auch die Texte in den anderen Liedern, sei es im Duo mit Agnes Heginger in „A klanes Brabitschek“, in dem sich Georg Breinschmid so nebenbei als Erfinder einer eigenen Sprache vorstellt, sei es in dem mit Tini Kainrath, Willi Resetarits und Roland Guggenbichler aufgenommenen berührenden Lied „For the lost daughters and sons of Vienna“ zum Thema Emigration und Entwurzelung, basierend auf Mirjam Ungers Film „Vienna’s Lost Daughters“, sei es mit dem sich von gängigen Fußball-EM-Hymnen doch deutlich abgrenzenden süffisanten „Fußball-Aversions-Wienerlied“, eingesungen mit dem Vokalquartett 4She. „Er is hoid ein Waserl/ein ängstliches Haserl/und er wü uns den Spaß nicht verderben/ Schaut’s eich den Deppen an/der was ned kicken kann/wie er am Rasen steht/Sogar zum Schlatzen ist er z’bled.“ Ein Lied mit autobiografischen Zügen? Wie hieß es mal bei Peter Handke so treffend: Was weiß ein Fremder. (Manfred Horak)